Full text: Die Prostitution als soziale Klassenerscheinung und ihre sozialpolitische Bekämpfung

der Vermieter die Berechtigung zur Erhebung einer geradezu un 
geheuerlich großen Risikoprämie von seiten der' Dirnen her. Für 
stockige, luft- und lichtlose Zimmer werden oft von den Prostituierten 
Mietspreise pro Monat verlangt, von denen eine kleine Arbeiter 
familie während der gleichen Zeit auskömmlich leben kann. Die 
Prostituierte, von der Dr. Hammer in den „Zehn Lebensläufen 
Berliner Kontrollmädchen" (Großstadt-Dokumente) zu berichten 
weiß, konnte sich noch glücklich preisen, daß sie in dem Norden 
Berlins, in der Elsasserstraße, 6 Mark täglich für Wohnung und 
Kost zu zahlen hatte. Eine andere Prostituierte erzählt in diesen 
„Lebensläufen" von geradezu horrenden Mietspreisen, die ihre Lieb 
haber täglich an die Vermieter abzuführen hatten. Wir vernehmen 
von. täglichen Mietspreisen von 6,50 Mark, ja von 8 Mark. Die 
„Verlorene", die jüngst ihre Erlebnisse in dem „Tagebuch einer Ver 
lorenen" so ergreifend geschildert hat, zahlte für ein erbärmliches 
Gelaß in der Zimmerstraße in Berlin „180 Mark inklusive" (wohl 
inklusive Kaffee). Die „Verlorene" gehörte zu den „Halbseidenen", 
zu den nicht kontrollierten Dirnen. „Hält es schon für uns schwer", 
so schreibt sie in ihrem Tagebuch, „ein Logis zu finden, bei den 
Kontrollierten ist es geradezu ein Dilemma, auf die Wohnungssuche 
zu gehen. Ich wohne wirklich noch billig. Die meisten bezahlen 
sieben oder zehn Mark pro Tag, oft noch mehr." Und einmal äußert 
sie noch eine gewisse Zufriedenheit über die Regelung ihrer 
Wohnungsverhältnisse, obwohl sie bei diesem Arrangement schamlos 
ausgebeutet ist. „Ich wohne jetzt," so heißt es in dem „Tagebuch 
einer Verlorenen", „in der Markgrafenstraße, ein schönes großes 
Zimmer nach vorn und eine Kammer, in der Osdorf schläft, und 
zahle pro Monat 360 Mark, d. h. tagweise 12 Mark." 
Zahlreiche Frauen bestreiten ihre Existenz nur aus dem An 
melden von Prostituierten, die scheinbar bei ihnen zum Besuch 
zugezogen sind. Sie melden nach dem „Tagebuch einer Verlorenen" 
die betreffende Person als bei ihnen „zu Besuch" an und bekommen 
3 Mark dafür, während die Betreffende ganz wo anders wohnt." 
„Die Zimmervermieterinnen," so äußert sich die „Verlorene", 
„machen immer noch das beste Geschäft. Erst ziehen sie die hohen 
Mieten und dann fallen sonst noch eine Menge Sporteln ab. Zum 
Beispiel, wenn eine in Verlegenheit ist, wird sie doch erst der Wirtin 
ihre Wertsachen zum Verkauf anbieten, die zieht es für ein Ei 
und ein Butterbrot ein, und hängt es anderen und zwar meistens 
auch wieder Mädchen — natürlich mit fünfundzwanzig Prozent 
Aufschlag und mehr — auf." 
In den glänzenden Tanzlokalen Berlins hat die Prostituierte 
vielfach die Rolle einer Animiermamsell zu spielen. Einmal hatte 
der Freier der „Verlorenen" vierhundert Mark für Sekt zu zahlen, 
und sie erhielt vom Oberkellner zehn Prozent der Sekteinnahme 
zurück. Die „Verlorene" speiste dann in einem eleganten Wiener 
Restaurant und beobachtete, wie eine Prostituierte in die kostbarsten
	        
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