Full text: Die Prostitution als soziale Klassenerscheinung und ihre sozialpolitische Bekämpfung

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einmal in einem Gespräch mit einem Berliner Rechtsanwalt treffend 
das charakteristische Wesen des Zuhältcrtums mit folgenden Worten: 
,,Jott, Herr Rechtsanwalt — Sie wissen doch, wat man jeschäftlich 
zu tun hat, det füllt det'Herz nich aus. Warum soll ick nich ooch 
'n Mann haben, wie andere Weiber? Ick habe ooch Bedürfnis nach 
Liebe. Wenn det nich. wär — denn brauchten wir keene Zuhälter." 
Die „Verlorene" deckt in ihrem „Tagebuch" die gleiche psychische 
Ursache für die Entstehung des Zuhältertums auf, wie jene Berliner 
Prostituierte in ihrem Gespräch mit dem Rechtsanwalt. 
„Ich hatte mir unter einem Louis," so schreibt sic, „auch nur 
einen Menschen vorgestellt, der den Mädchen die Kunden zuführt, 
sie beschützt, rabiate oder zahlungsfaule Klienten mit sanfter Gewalt 
auf ihre Berappungspflicht aufmerksam macht und im übrigen im 
Verhältnis eines Sklavenhalters zu den Mädchen steht. Das alles 
kommt ja auch gewiß vor, aber meistens ist das Verhältnis der 
Mädchen zu ihrem sogenannten Zuhälter das natürliche eines 
Mädchens zu seinem Liebhaber. Es ist ja auch erklärlich. In jedem 
Mädchen steckt doch das Weib mit seinem Anlehnungsbedürfnis, 
seiner Liebessehnsucht, die in der rein gewerbsmäßigen Handhabung 
des geschlechtlichen Verkehrs keine Befriedigung findet. Mir selber 
geht es so: Was würde ich darum geben, wenn ich einen, nur 
einen einzigen Menschen in der Welt hätte, der zu mir gehörte, 
an den ich mich anschließen könnte, von dem ich wüßte: Er ist 
für mich da und ich für ihn. Aber wiederum könnte ich mich nicht 
entschließen, einen beliebigen Menschen an mich heranzuziehen; die 
meisten dieser Kerle sind ja qualitativ unter aller Kanone. Man 
könnte manchmal Studien machen. Diese Leute rekrutieren sich aus 
allen Ständen. Heruntergekommene Subjekte sind's natürlich alle. 
Was Anständiges wird sich nicht vom Mädel unterhalten lassen." 
Das verkommene Geschöpf, der Zuhälter, münzt nun aus der 
Liebesempfindung der Dirne blankes Geld. Aus freien Stücken 
schon füllt das verliebte Mädchen dem Zuhälter oft die Tasche. Mit 
unter greift er jedoch selbst sehr kräftig in die Tasche der Dirne 
hinein. Er zwingt sie, ihrem Geschäfte nachzugehen. Die 
Dirne hat nicht nur sich, sie hat auch ihren Mann zu 
ernähren. Neben der Klasse der Prostituierten schießt eine viel- 
köpfige Klasse von männlichen Parasiten empor, deren Unterhaltungs 
kosten ebenfalls auf das soziale Schuldkonto der Prostitution gesetzt 
werden müssen. Es wird sich etwa die Zahl der Dirnen zu der 
der Zuhälter wie 5 : 1 verhalten. Wenigstens ivurde dies Zahlen 
verhältnis im Mordprozetz Berger einmal angegeben. 
Ueber die Ausbeutung der Mädchen durch die Zuhälter hat Hans 
Oswald in seiner Schrift: „Das Zuhältertum in Berlin" einige 
Tatsachen nach dem Bericht N. Hermanns herbeigebracht. Im 
äußersten Norden Berlins mag der Reingewinn des Zuhälters sich 
auf 2 Mark belaufen. In der Dorothcenstndt und „Unter den 
Linden" wächst dann der Zuhältcrgewinn auf 12 Mark an. Zu
	        
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