II. Staatlicher Schutz der Unternehmer- und Arbeiterklasse.
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der Innungen zur Lehrlingsausbildung oder zu ben verschiedenen Arten von Spezial-
genossenschaften, worin sich das Kleingewerbe von der Landwirtschaft weit überflügeln
ließ. Im allgemeinen jedoch steht nach den bisherigen Erfahrungen auch diesen
Genossenschaftsformen die gegenseitige Konkurrenz der Genossenschaftsmitglieder, die
Kleinlichkeit der Gesinnung und der Mittel hemmend im Wege. Deshalb werden der
artige Versuche, wenn auch da und dort unter besonders günstigen Umstünden eine
lebensfähige Genossenschaft zustande kommt, doch nie die allgemeine Hebung des
gesamten Handwerks zustarlde bringen.
Ein anderer Prüfstein für die Leistungsfähigkeit der gewerblichen Genossenschaften ist die
Aus- und Fortbildung der Lehrlinge. —
Das Deutsche Reich zählt 8000 Innungen und kaum 100 Schulen, die von ihnen irgendwie
unterstützt werden. Die württ. Regierung, die jährlich ca. 272000 Mk. für die gewerblichen
Fortbildungsschulen ihres Landes ausgibt, bringt z. B. mit dieser Summe zehnmal mehr zustande
als alle Innungen zusammen.
Den Höhepunkt erreichte die kleingewerbliche Agitation mit dem Gesetz vom
26. Juli 1897. Es gestattet den bisher schon bevorrechtigten Innungen, sich ohne
weiteres in Zwangsinnungen umzuwandeln nnb ermöglicht auch sonst in allen
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Nachdem dieser Höhepunkt kaum erreicht war, flaute die Bewegung jedoch wieder
ab, zum Teil deshalb, weil auch die Handwerkskammern nicht imstande waren, die er-
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Nachweis, um Jnnungszwang und Monopolisierung im Hinblick auf die Beschlüsse
des Kölner Handwerkskammertags vom 9. August 1905 als abgeschlossen ansehen. Es
ist ein Glück für das Handwerk, daß der Bundesrat und die großen Reichstags
parteien in der Reichstagssitzung vom 26. Januar 1906 den utopischen, nicht mehr er
füllbaren Jnnungsträumen eine endgültige Absage erteilt haben; mit Recht erklärte
man auf dem Kölner Handwerkskammertag vom August 1905 das Bestreben nach
zunftmäßiger Unterdrückung der Konkurrenz als eine Krankheit des
Handwerks. Es hätte der gewerblichen Zukunft viel genützt und manche Enttäuschung
erspart, wenn diese Absage rechtzeitig, d. h. schon vor Jahrzehnten erfolgt wäre.
Die dreißigjährige Geschichte der Jnnungsgesetzgebung gibt viele Lehren für die
Gewerbeverwaltung; insbesondere zeigt sie so recht die Unmöglichkeit, alles gesetzlich
zu reglementieren. Mehr als alle Reichsgesetze hätte eine nach Art der Preußen-
kasse für Finanzierung von Genossenschaften bankmäßig eingerichtete Zentralstelle
oder eine Organisation, welche den Meister zu richtiger Kalkulation angeleitet hätte
dem Kleingewerbe geholfen.
Ueberschaut man die nun zwei Generationen umfassende Zeit, so haben innerhalb
des Kleingewerbes die wirtschaftlichen Interessen und Anschauungen vielfache Wand
lungen erfahren.
Die positive, fruchtbringende Mittelstandspolitik liegt in der Richtung der
Kleinarbeit, der besseren Fachbildung und der genossenschaftlichen Schulung.
Bestätigt wird die Richtigkeit dieses Satzes durch das Schlußergebnis der nun 40jährigen
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Nachweises dahin zum Abschluß gebracht, daß künftig die Aufgabe der Handwerks
kammern statt im agitatorischen Kampfe, in der eben angedeuteten „Erziehungsarbeit"