Einleitung.
Über den Wertungsprozeß im allgemeinen.
Jede Lebensfunktion und Lebensäußerung hat zwei
Seiten: Sie wirkt und bekommt von anderswo eine Gegen
wirkung, sie findet Anstoß und sucht ihn zu überwinden,
sie gibt, und, indem sie gibt, empfängt sie; sie empfängt,
und, indem sie empfängt, gibt sie. Der Mensch ist auch
eine solche Krafteinheit, die zugleich empfängt und gibt,
gibt und empfängt.
Es liegt aber im Menschen eine gewisse Schichtung
oder Gruppierung von diesen Funktionen des Ernpfan-
gens oder Gebens: Die niedrigeren, primitiveren Funk
tionen des menschlichen Seins sind vornehmlich emp
fangenden, rezeptiven und perzeptiven Charakters, die
höheren, inneren Lebenstätigkeiten sind mehr norm
gebenden und formbildenden Charakters. Die Funktion
des Empfangens beginnt im Menschen mit den Sinnes
eindrücken (Empfangen mit Mindestmaß von Form
gebung), steigen durch die Reihe der Verstandestätig
keiten zu Begriffen, Urteilen und Schlüssen und ver
dichten sich zu einem Erkenntnisinhalt.
Die Funktionen des Normgebens beginnen von den
inneren Tiefen des Verstandes, der Vernunft und des
Gemütes, des Seelenlebens überhaupt als gewisse Willens
akte, die einer Zweckmäßigkeit der inneren Welt ent
sprechen und entspringen, weshalb auch Kant den