Full text: Die Bewirtschaftung von Korn, Mehl und Brot im Deutschen Reiche, ihre Entstehung und ihre Grundzüge

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tiger knapp geworden und erneut int Preise gestiegen. Wiederum 
hätte man durch Erhöhung der Staatszuschüsse die Kaufkraft aus 
den Pegelstand der Brotpreise heben müssen. Brotpreis und Staats 
zuschuß hätten einander wechselweise ständig in die Höhe geschraubt. 
Aber auch hiervon abgesehen schien dieser Weg ungangbar, weil er 
sich in einen finanziellen Abgrund zu verlieren drohte. 
Für das entgegengesetzte Verfahren, das ganze freie Versorgungs 
spiel durch ein st a a t l i ch geleitetes, bis ins einzelne geregeltes 
Verfahren zu ersetzen, war damals weder im deutschen Volke das 
zum Gelingen erforderliche Verständnis der Notwendigkeit voraus 
zusetzen, noch waren überhaupt die Durchführungswege aufgehellt. 
Zwar wiesen schon im Frühherbst 1914 ein Führer des Bundes 
der Landwirte, ein ostdeutscher Kornhändler und ein westdeutscher 
Großmüller, sowie vereinzelte Beamte auf eine staatliche Gesamt- 
regelung des Korn- und Mehlvcrkehrs als unumgänglich hin. 
Aber schon der spöttische Hinweis, daß zur Unterbringung der 
hierfür erforderlichen Arbeitskräfte ein ganzes Warenhaus be 
nötigt werde, reichte aus, um jenes Fähnlein als abenteuerliche 
Köpfe abzutun, zumal sie untereinander in den Zielen auseinander- 
giygen und damals noch keinen zum Ziele führendeu Weg anzugeben 
vermochten. Tie Zeit war hierfür noch nicht gekommen, und sie 
kommt deswegen nicht früher, weil einzelne ihre Uhr vorstellen. 
Jedenfalls wurden damals von den maßgebenden Stellen beide 
Möglichkeiten abgelehnt, nicht nur aus Mchgiebigkeit gegenüber der 
einhelligen öffentlichen Meinung, sondern aus bestimmter Überlegung. 
Eine gute Mittelernte war günstig eingebracht. Die Vorratserhe 
bung hatte für den 1. Juli 1914 im Reiche 2,5 Millionen Tonnen 
Brotkorn und 1,6 Millionen Tonnen Mehl erwiesen. Hierauf gestützt 
ging die h e r r s ch e n d e A u f f a s s u n g dahin, daß zur Deckung des 
Brotbedarfs bis zur nächsten Ernte Brotkorn, bei leidlicher Wirkung 
des Verfütterungsverbotes und unter Heranziehung der Streckungs 
mittel, ausreichend vorhanden sei. Die Preissteigerung erschien so 
als eine wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Treiberei, die durch rechtliche 
Bindungen hintanzuhalten sei. Staatliche Preisbeschränkung ver 
langten auch die militärischen Wünsche bei der Zentralstelle zur 
Beschaffung der Heeresverpflegung, wo nach dieser Richtung während 
des Krieges einige Erfahrungen gesammelt waren. Zudem war solche 
Preisbindung gegebenenfalls eine brauchbare Stufe auf dem Wege zu 
weiteren Zielen. Freilich, wem Kohle fehlt, der wird int Winter frie 
ren, auch wenn er sein Zimmerthermometer aus 16 Grad Celsius fest 
stellt. So richtig die volkstümliche Vorstellung ist, daß es für einen 
Ort.zu einer bestimmten. Zeit einen gerechten Preis gibt, sü -urtwühr-
	        
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