Full text: Verhandlungen des Industrierates über den Ausbau und die Reform der Arbeiterversicherung

einem Male durch das umfassende Reformwerk einer hätte, da in diesem Falle zweifellos der theoretische 
staatlicherseits bedeutend subventionierten Sozial- Streit im Zusammenhange mit der für agitatorische 
versicherung zu erreichen“. Das Programm erhebt Zwecke sehr geeigneten Fabel, daß sich die Industrie 
nicht den Anspruch, das große Problem der Arbeiter- durch Verschmelzung vor einer Entscheidung über die 
versicherung abschließend zu behandeln, will vielmehr Tilgung der durch die Unfallversicherung aufgelaufenen 
der späteren Entwicklung der Gesetzgebung in jeder Defizite drücken wolle, jede Reform ad graecas ca- 
Richtung freien Spielraum lassen, da ein System der lendas verschoben hätte. Das durfte nicht eintreten; 
Arbeiterversicherung, das nicht geeignet wäre, ge- die Reform muß vielmehr möglichst rasch in den 
gebenenfalls den Wandlungen des wirtschaftlichen sicheren Hafen gebracht werden, weil der Ausbau der 
Lebens angepaßt zu werden, unter Umständen nicht Versicherung allein dem unhaltbaren Zustande der 
ohne schwere Beeinträchtigung einzelner Interessen heutigen Armenfürsorge abhelfen kann und die An- 
geändert werden könnte. Da nun die Unfallversicherung griffe der Gemeinden und Länder auf den Staatssäckel 
als „Spezialversichernmng“ weiter bestehen bleibt, aus dem Titel der Armenfürsorge nicht lange mehr 
sucht das Programm im wesentlichen den einheitlichen abgewehrt werden könne. Die peolitischen Motive 
Aufbau in der Organisation, in der Grundlage für endlich, die für eine rasche Reform sprechen und die 
die Bemessung der Leistungen aller Versicherungs- sich infolge des Ausfalls der letzten Wahlen bedentend 
zweige, in der Evidenz und Einhebung der Ver- vermehrt haben, bleiben hier bessser unerörtert, be- 
sicherungsbeiträge durchzuführen. weisen doch die vorstehenden Ausführungen zur Ge- 
nüge, daß in diesem Falle das Vollkommene nicht 
Es geht demnach der materiellen „Ver- versucht wurde, um das bald Erreichbare, wenn auch 
schmelzung“ der drei Versicherungszweige aus dem weniger Gute, nicht zu gefährden. 
Weg und läßt es bei einer allerdings ziemlich kon- z I 
sequent durchgeführten und einer weiteren Aus- Alle diese Erwägungen kommen jedoch für den 
gestaltung fähigen „Vereinheitlichung“ bewenden. Industrierat nicht in Betracht. Ich halte es für seine 
Pflicht, daß er sich mit der Möglichkeit der materiellen 
Und doch hätte fich wenigstens in einem „Pro- Verschmelzung der Versicherung eingehender beschäftige, 
gramme“ der Versuch gelohnt, die drei Versicherungen denn der Verschmelzungsgedanke hat eine so werbende 
gegen Krankheit, Unfall 1nd Invalidität die eigent- Kraft, daz vielleicht kurze Beit nach Reformierung 
lich nur einen Zweck nämlich die Vexficherung gegen unserer Arbeiterversicherung Eu!tt . noch viel yet 
dauernde oder zeitweise Minderung der Erwerbs- gehendere inh. hart hi [thwierigere Refyrir wird 
fähigkeit der nicht selbständig erwerbenden Personen durchgeführt werden müssen, bei der die durch det 
verfolgen, einander tulichst nahezubringen und zu vortiegenden Entwurf geschaffenen Rechte ein schier 
verschmelzen. Allerdings ist es begreiflich, daß die nüherwindliches Hindernis litten ihfese! Kein 
Regierung nicht an die Lösung eines Problems heran- Sehender wird darüber im Zweifel sein, daß die 
treten will, das heute + trogdem es im Mittelpunkte Arbeiterverssicherung in nicht allzu ferner Zeit in eine 
der Diskussion steht - ungeklärter ist als je, ja gerade Versicherung aller erwerbenden Stände, mögen diese 
darum schier. unlösbar geworden. zu fein. scheint, weil selbständig oder unselbständig sein, aufgehen werde. 
ein ganz namhafter juristischer und fa c<männischer Wollen wir daher heute Fundamente legen, so müssen 
Schazfüun aufgeboten wurde und wird, um jeden sie dieses riesige Gebäude tragen k bunen; das können 
Verschmelzungsversuch zu bekämpfen und damit zu sie aber um so bessser, je einheitlicher ihr Gefüge ist. 
i . Viellei i ierung hiebei nicht 4:7. ; . - 
ther Flu h ru ri nÊzu U v qs .., Tatsächlich reichen die Verschmelzungsprojekte 
stehlichen Zwange. Denn, die Reform unserer Kranken- his )!! das Jahr 1.888 zurück. Während nun die eiten. 
und Unfailverficherung kaun unmöglich mehr länger die in Dr. Freund ihren Vorläufer und ihren Führer 
hinausgeschoben werden. Sie wird sich aber, wie Haben, diese Verschmelzung für die Kranken- und 
immer sie sei, der zu gewärtigenden, zumeist von rein Invalidenversicherung angewendet wissen wo stet. 
parteiischen Erwägungen diktierten Kritik nur dann sprechen sich andere, besonders F?r Bödiker, für die 
als widerstandsfähig erweisen, wenn ihr der Ausblick Gereiuigeng . u . ss Hsreliveattefdterutg 
auf die Invalidenversicherung die Bahn frei macht, “s. He yritte. allerdings die Ilngfte: aver tutt ûer 
s p Breu ernst “u o > § L M größten werbenden Kraft gts gestattete Richtung 
das Odium auf sich nehmen könnte, die Einführung ??beitet dagegen auf eine vollständige Verschmelzung 
der Invalidenversicherung verzögert oder ganz ver- alter Usgt der Bertuheuns ; tiyen. insigen. hiy. 
hindert zu haben. Witwen-, Waisen- und Stellenlvfigkeitsversicherung 
Anders allerdings hätte sich die Situation ge- értthr 
staltet, wenn die Reform gleichzeitig die Verschmelzung Als schärfster Gegner des Versschmelzungs- 
der drei Verssicherungszweige in Aussicht genommen gedankens hat sich am Arbeiterversicherungskongressse,
	        
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