110 1. Teil. Italien.
schriften angewendet werden „con la pi vigile osservanza e con IA maggiore
sollecitudine“‘.
Gleich nach der Bekanntgabe der Dekrete vom 8. August forschte
die Polizei, unterstützt von den Beamten der Finanzintendanten, eifrig
allen geschäftlichen Unternehmungen nach, die irgend welcher Beziehungen
zu Deutschland verdächtig waren. Darauf verfügten, zuerst im Laufe
des Monates September 1916, die Präfekten, daß eine große Reihe von
solchen Unternehmungen unter Staatsaufsicht — sotto sindacato — ge-
stellt wurden. Sache der zum Aufsichtsbeamten oder Zwangsverwalter
bestimmten Person ist es, von den Büchern Einsicht zu nehmen, die An-
gestellten des Geschäftes einzuvernehmen, zu prüfen, ob das Geschäft
weiter geführt werden Soll, allerdings unter seiner Aufsicht, oder ob
Schließung, Sequestration oder gar Liquidation des Geschäftes beantragt
werden soll, letzteres gemäß Art. 9 des zweiten Dekretes.
Wie im einzelnen die Dekrete durchgeführt werden, läßt sich heute
(Ende September 1916) noch nicht sagen. Die Fassung der Dekrete ist
leider — wie dies überhaupt bei allen Kriegsdekreten gegen feindliche
Privatinteressen der Fall ist — mehr politisch als juristisch gehalten,
also ungenau. Die italienischen Handelskreise legen das Handelsverbot
als vollständiges Verbot jeglichen Verkehrs mit feindlichen
Firmen und feindlichen Personen aus, selbst mit Gesellschaften,
die seit Jahren in Italien nach italienischem Rechte konstituiert sind
und dort Domizil haben, wenn anzunehmen ist, daß Deutsche daran be-
teiligt sind.
Dieser weitgehenden Auslegung entspricht auch das eine Dekret, das den Handel
mit den Untertanen feindlicher Staaten verbietet, wo immer sie auch ansässig sind.
Damit steht aber im Widerspruch das andere Dekret über das sindacuto, die Staats-
aufsicht, das wohl als ein Spezialdekret anzusehen ist. Es trifft die Firmen und Zweig-
niederlassungen — persönliche und Gesellschaften —, die im Königreich Italien Ge-
schäfte betreiben. Nach diesem Dekret ist anzunehmen, daß die Fortführung der
feindlichen Geschäfte. in Italien, allerdings unter Staatsaufsicht, regelmäßig gestattet
ist und die Liquidation zu den Ausnahmen gehören soll.
Die Äußerungen der italienischen Presse und die bisherigen Ver-
fügungen der Präfekten lassen darauf schließen, daß die Dekrete scharf
und rücksichtslos angewendet werden, so daß auch das Handelsverbot
nicht bloß den Handel im engeren Sinne des Handelsgesetzbuches treffen
wird, sondern überhaupt jeden auch zivilrechtlichen V erkehr mit den
Angehörigen des feindlichen Staates oder Firmen, die als „feindliche“
bezeichnet werden. Es wird deshalb auch kein italienischer Anwalt
mehr die Vertretung eines „Feindes“ vor italienischen Gerichten über-
nehmen.
Unter Staatsaufsicht sind persönliche Firmen mit deutschem Namen gestellt
worden, darunter auch solche von Naturalisierten, ferner nach italienischem Rechte
konstituierte Aktiengesellschaften, oder italienische Zweigniederlassungen von Aktien-
gesellschaften, die in der Schweiz gegründet wurden, wenn die Öründung nach der