Die Finanzwirtschaft unserer Gegner während des Kriegs.!)
Von
Otto Jöhlinger,
Frankreich.
Von allen kriegführenden Ländern war Frankreich bei Kriegs-
ausbruch in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht am schlechtesten
bestellt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren zum Teil
infolge ungünstiger Ernten, im allgemeinen aber wegen einer rück-
gängigen Konjunktur unbefriedigend, und die finanziellen
Kräfte erwiesen sich. als nicht. so stark, wie es überall gern verkündet
und angenommen wurde. Die Ursachen hierfür lagen teilweise etwas
weiter zurück. Sie waren schon längere Zeit v or dem Kriege fühlbar.
Unter anderem hängen sie mit der Finanzkrise in Süda merika
zusammen, wo Frankreich grosse Kapitalsinvestitionen vorgenommen
hatte, sowie mit den Balkanwirren, wo ebenfalls französisches Geld
ruht, besonders aber mit der engen Verbindung zwischen den fran-
zösischen Sparern und den russischen Staatsfinanzen mittels
Anleihen, die etwa 20 Milliarden Franken erreichen, und die allen
Schwankungen der russischen Kriegs- und Friedenspolitik ausge-
setzt sind. Grössere französische Banken hatten sich in Friedens-
zeiten in umfangreiche Bodenspekulationen eingelassen, die
nicht immer glücklich verlaufen sind. Kine besondere Propaganda
bewirkte einen Ansturm der Sparer im Monat Mai 1914 auf die Kassen
einer grossen französischen Bank, der Soc j6t6 generale, wo
die Verhältnisse besonders ungünstig lagen. So war es klar, dass es
im Falle eines Krieges, der zu einer Panik unter den Sparern führen
1) Als Material dienten in der Hauptsache Zeitungsnotizen der deutschen
und ausländischen Presse, namentlich aus der Finanzpresse, Daneben wurden
die „Nachrichten der Auslandspresse“ (herausgegeben vom Kriegspresseamt)
benützt. Bei der Materialsammlung war mir Herr Erwin Respondek
behilflich. Nach Fertigstellung der Arbeit erschien die Schrift „Die Kriegs-
finanzen“ von Eheberg, deren Ausführungen in einigen Punkten zur Er-
gänzung herangezogen wurden.
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