Full text: Kritischer Beitrag zur Theorie des internationalen Handels

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jetzt importierten Gutes freigesetzte Kapital!) der rentableren in- 
ländischen Verwendung zufließt — oder die Nachfrage nach aus- 
ländischen Produkten steigt entsprechend der Verbilligung, während 
die Nachfrage nach inländischen Produkten dieselbe bleibt. Das 
freigesetzte Kapital wird sich dann im gleichen Umfange denjenigen 
Produktionszweigen zuwenden, deren Produkte zur Bezahlung des 
Importes dienen. 
Der Nachfrage wird also in diesen Fällen eine autonome Be- 
wegung zuerkannt; sie kann proportional der Verbilligung steigen, 
auf dem alten Stand verharren, und schließlich — das fügen wir 
hinzu — über die Verbilligung hinauswachsen. Die Bewegungen 
des Angebots bzw. der Produktionsmittel sind Funktionen dieser 
Autonomie der Nachfrage. 
Wir müssen uns jedoch darüber klar sein, daß es sich hier 
nur um eine beiläufige Bemerkung Ricardos handelt, da es ihm 
bei seinen Untersuchungen auf ganz andere Dinge ankam. So hat 
Gottl Recht, wenn er Ricardo bzw. die Klassiker überhaupt 
„Wertanalytiker‘“?) nennt; es wäre falsch, zufällige Bemerkungen 
über das komplexe Problem der konkret-kausalen Bedingtheit 
der Preise in ihrer systematisch-prinzipiellen Bedeutung zu über- 
schätzen. 
Immerhin wollen wir diesen dürftigen Ansatz zur Erkenntnis 
einer selbständigen Wirkung der Nachfrage im Auge behalten, 
Aus ihm ließe sich das gesuchte neue Erklärungsprinzip des Preises 
entwickeln, sobald an Stelle der mengenmäßigen Gegenüberstellung 
das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot in 
bestimmter Weise zum Prinzip der Untersuchung gemacht würde. 
Die rein mengenmäßige Vorstellung der Beziehung von Angebot 
und Nachfrage ist auch durch J. St. Mill nicht wesentlich vertieft 
worden. Immerhin hat Mill bewußter als Ricardo die Lücke in 
der Preistheorie auszufüllen gesucht, die durch die starre Anwendung 
des Äquivalenz-Gedankens entstehen mußte. Wir finden deshalb 
auch bei ihm bestimmtere Anhaltspunkte für unsere Behauptung, 
daß die Theorie der internationalen Werte eine Theorie eigener 
Art ist, in der ein neuer Gedanke schlummert, dessen Erkenntnis 
1) Eine Kritik dieser „Freisetzung“ siehe bei Marx: Kapital I, S. 403f.f. Marx 
fußt hier anläßlich der Erörterung der Freisetzung von Arbeitern durch die Maschine 
auf gewissen empirischen Voraussetzungen, die dem hier vertretenen Einwand beschränkter 
Konkurrenz auch innerhalb der sogenannten „Volkswirtschaft“ gleichkommen. Logisch 
ist natürlich gegen die abstrakte Diktion Ricardos nichts zu sagen. 
2) Vgl. v. Gottl-Ottlilienfeld, Die wirtschaftliche Dimension. Jena 1923,55. 37. 
Weigmann, Internat. Handel, 2
	        
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