Full text: Das Ich und der Staat

VI. Deutsche Diesseitsreligion ] j 
Dieser lebendigen Form, in die es unlösbar hineingewachsen ist 
~ es mag ihm lieb oder leid sein ~ dient das Ich nicht nur, 
indem es sich auf irgendeinem staatlichen oder politischen Posten 
betätigt; es dient ihm, indem es den Platz, worauf es innerhalb 
der völkischen Schicksalsgemeinschaft gestellt ist, pflichtgemäß, das 
heißt nach bestem Können und Wissen, ausfüllt. Eine Mutter, die 
ihre Kinder zu tüchtigen Menschen erzieht, dient dem Staate viel- 
leicht besser als der Parteiführer, der das unklare Wollen von 
Millionen dazu mißbraucht, sich selbst auf einem Ministersessel 
zu erhalten. Ein Künstler, der die geheime Sehnsucht der Besten ge- 
staltet oder zum Klingen bringt, gibt dem Staate vielleicht mehr, 
als der Händler, der ihm Millionen an fremden Luxuswerten zu- 
führt. Ein Techniker, der ein weiteres Stück ungebändigter Natur 
der Herrschaft des Menschengeistes unterwirft, fördert den Staat 
vielleicht weiter, als ein Volksredner, der ein Leben lang unermüdlich 
gegen die „Sünden der Reaktion““ oder gegen die ,„Begehrlichkeit 
der Massen‘“ donnert. 
Um dem Staat auf die zweckmäßigste Weise zu dienen, braucht 
das Ich also keineswegs an der Staatsleitung oder der Staatsver- 
waltung unmittelbar teilzunehmen. Es braucht auch nicht ständig 
vom Staat oder über den Staat und seine Angelegenheiten zu 
reden. Nur wenn der Staat ruft, muß es ihm seinen Willen und 
seine Erfahrung, seinen Besitz und, wenn es sein muß, sein Leben 
zur Verfügung stellen. G’schaftelhuberei verlangt der Staat von 
niemand, unmittelbaren und ständigen Dienst nur von wenigen ~ 
Todsünde wider den Staat aber ist das Gefühl, das sich in den 
letzten Jahren der Bismarckzeit auszubreiten begann, und das unter 
Wilhelm II. weite und breite Schichten gerade der Höchstgebildeten 
im Staate beherrschte: das Gefühl der Gleichgültigkeit, der Ver- 
drossenheit, der Überheblichkeit gegenüber dem Staate. 
Ich bin der Staat! In mir ist der Staat! Das ist das Gefühl, 
aus dem heraus allein das Ich die richtige Einstellung zum 
Staate findet, der ihm die Lebensform der völkischen Schicksals- 
gemeinschaft ist. 
Und die Zweckbestimmung dieses Lebewesens höherer Ordnung, 
das die Gattung Mensch erzeugt hat? Soweit das menschliche Ich 
Harms, Das Ich und der Staat I 
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