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sprechende Behandlung (Schienen und Stützapparate) zum Gehen ge-
bracht wird, eine entsprechende gute Erziehung und Ausbildung in
irgendeinem Berufszweig angedeihen zu lassen. Es wird demnach in
seinem späteren Leben in der Lage sein, sich ohne jede fremde Hilfe
seinen Lebensunterhalt zu verdienen, fällt also dem Staate nicht zur
Last. Dieses Kind gehört demnach nicht in ein Krüppelheim.
Das zweite Kind gehört einer armen Bergmannsfamilie. Eine
Schulausbildung kann das Kind nicht genießen, weil der Vater die
Kosten zur täglichen Beförderung in die Schule nicht aufbringen kann.
Eine ausreichende Berufsausbildung fällt daher schon von vornherein
weg. Dieses Kind gehört also im Gegensatz zu dem vorher erwähnten
unbedingt in ein Krüppelheim. Hier besteht die Möglichkeit, das Kind
durch geeignete Operation und Anlegung von notwendigen Schienen
und Apparaten zum Gehen zu bringen, gleichzeitig kann ihm eine ge-
nügende Schulausbildung zuteil werden, und nach Vollendung der-
selben kann es in einem seinem Leiden entsprechenden Beruf ausge-
bildet werden.
Diese beiden Beispiele zeigen deutlich, daß die Entscheidung über
die Unterbringung in einem Krüppelheim nicht schematisch, sondern
nur von Fall zu Fall getroffen werden kann. Es muß stets auf die
sozialen Verhältnisse der Eltern des kranken Kindes oder des Krüppels
selbst Rücksicht genommen werden. Nicht die Krankheit allein soll ver-
sorgt werden, sondern der Mensch soll durch die Einrichtungen des
Heims körperlich sowohl wie seelisch erwerbsfähig gemacht werden.
Es kann auch vorkommen, daß die Heimbedürftigkeit bei ein und dem-
selben Kranken zu verschiedenen Zeiten verschieden beurteilt werden
muß, z. B. wenn eine Familie, die sehr wohl in der Lage ist, ihrem
Kinde in ambulanter Behandlung genügende Pflege und Ausbildung
angedeihen zu lassen, plötzlich durch Arbeitslosigkeit oder andere
äußere Gewalteinwirkungen zeitweilig verarmt, so daß es ihr dann
nicht mehr möglich ist, für den notwendigen Lebensunterhalt und die
besondere Schul- und Berufsausbildung ihres Kindes zu sorgen. In
diesem Falle gehört dann das Kind, das vorher ambulant behandelt
werden konnte, wieder in die Anstaltspflege.
Auch können viele Krüppel bei guter Beaufsichtigung durch die
Fürsorgeorgane ambulant behandelt werden, während sie bei Fehlen
der geeigneten Fürsorge unbedingt heimbedürftig bleiben.
In diesem Falle ist die ambulante Behandlung meist einer Beur-
laubung gleich zu achten, d. h. man sendet die Kranken bereits nach
Hause, ehe die Behandlung abgeschlossen ist. Ratsam ist diese ambu-
lante Behandlung jedoch nur bei genügender häuslicher Pflege und
guter Beaufsichtigung durch die Fürsorgeschwester.
Während wir bisher immer nur von schulpflichtigen Krüppeln
gesprochen haben und von mangelnden sozialen Verhältnissen, kann
Beiträge zur sozialen Fürsorge. 6 ;
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