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meisten in die Erscheinung treten. Ich erinnere an schwere Aus-
stülpungen des Gehirns oder Rückenmarks, an spina bitida, die häufig
mit so starken Lähmungserscheinungen verbunden sind, daß solche
Patienten unbedingt nur in der Anstaltspflege leben können;
2. an schwerste Fälle von Myotonia congenita,
von multipler Sklerose, von P oliomy elitis an-
terior sub acuta oder chronica, Sy ringo my eli usw.,
überhaupt alle Nervenerkrankungen, von denen wir wissen, daß sie
langsam sich verschlimmern und zum Tode führen;
3. an die Erkrankungen des Muskelsysstems, z. B.
die progressive Muskelatrophie oder die Dystrophia musculorum
progressiva oder an jene schweren Krankheitsbilder, bei denen man
Gefahr läuft, daß nach einiger Zeit der vielleicht überpflanzte Muskel
ebenfalls der Atrophie anheimfällt;
4. an die fortschreitenden c<ronischen Krank-
heiten des Skeletts y ste ms. Hierher gehören schwerste Formen
von Knochenerweichungen, die chronischen, allen Behandlungen spot-
tenden Gelenkerkrankungen und viele andere.
Es gibt natürlich noch viele Krankheitsbilder, welche hier genannt
werden können, aber es kann ja nicht Zweck dieser Arbeit sein,
erschöpfend jede einzelne Krankheit, die zum Siechtum führen kann,
aufzuzählen. Viel wichtiger ist die Frage: Was machen wir mit diesen
Armen? Wo bringen wir sie unter, und wie bringen wir sie unter?
In den Ausführungsbestimmungen zum Krüppelfürsorgegesetz heißt
es unter der Überschrift „Verteilung der Krüppel auf die Anstaiten“:
„Der bisherige Zustand, wonach vielfach in den Heimen alle Arten
von Krüppeltum beherbergt wurden, wird sich in Zukunft nicht auf-
rechterhalten lassen; denn Anstalten, die den ganzen Apparat der
klinisch-orthopädischen Behandlung besitzen, sind zu teuer, als daß man
in ihnen auch die Siechen und Unheilbaren bewahrte, die an anderen
Stellen ebenso gut und dabei billiger untergebracht werden können.
Es wird nötig sein, einzelne Heime oder besondere Stellen einzusetzen,
die ausschließlich oder vorwiegend für die Aufnahme von Siechen
oder Unheilbaren bestimmt sind.“
Ich persönlich halte ja die Unterbringung von Siechen in einem
eigenen Siechenhaus nicht für sehr zweckmäßig. Auch der sieche
Krüppel hat immer noch Hoffnung auf die Besserung seines Leidens,
und diese muß ihm gelassen werden. Er denkt fortwährend darüber
nach, wie sein Leiden gebessert werden kann. Ich habe gefunden, daß
gerade die Siechen bei den ärztlichen Sprechstunden in der Anstalt am
meisten vertreten waren. Die in den Kliniken und Heimen unter-
gebrachten Siechen finden häufiger Gelegenheit, mit ihrem Arzt über
ihr Leiden zu sprechen als die in einem Siechenhaus, wo nur zuweilen
eine ärztliche Visite stattfindet. Auch ist der Verkehr der Siechen mit
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