den Tag hineinleben, immer schnell mit dem Wort bei der Hand sind,
die dauernd etwas Unstätes, Rastloses an sich haben. Hierher gehören
auch drittens die Menschen, die niemals in einer gleichmäßigen Stim-
mung sind, bei denen wir immer ganz unmotivierte Schwankungen
in ihrem Stimmungsleben beobachten, die heute selbstbewußt, unter-
nehmungslustig, heiter und vergnügt, morgen ohne Grund ängstlich,
verzagt und hypochondrisch verstimmt sind.
Eine andere krankhafte Veranlagung ist die paranoide Veran-
lagung, und gerade diese findet man auch unter den Krüppeln nicht
ganz selten. Es sind mißtrauische, unsichere Menschen, die sich bei
jeder Gelegenheit ungerecht behandelt und zurückgesetzt fühlen, die
immer das Gefühl haben, man möge sie nicht leiden, sie würden un-
gerecht beobachtet, kritisiert, die verbittert, wenn sie verwarnt und
gestraft, die auch mißtrauisch, wenn sie gelobt werden. Eine solche ab-
norme paranoische Grundstimmung wird oft schon durch körperliche
Gebrechen geschaffen. Die Menschen fühlen sich infolge ihrer körper-
lichen Mißbildung immer beobachtet. Um einen charakteristischen Fall
zu erwähnen: Ein sehr talentierter Assistent einer technischen Hoch-
schule hatte von Jugend auf eine verkrüppelte Hand. Von diesem Ge-
brechen fühlte er sich dauernd beeinträchtigt. Er suchte den Fehler
dauernd zu verbergen. In den Kursen, in denen er mit Studenten zu
tun hatte, fühlte er sich immer beobachtet, „gequält und gedemütigt“.
Im Kriege wurde er eingezogen, kam in ganz neue Verhältnisse, in
denen auf seine Vorbildung nicht im geringsten Rücksicht genommen
wurde, und da bildeten sich auf dem Boden der geschilderten krank-
haften Veranlagung ernstliche Verfolgungsideen heraus. Bei allen
solchen paranoid Veranlagten liegt die Gefahr einer Steigerung der
angedeuteten Symptome zu einer wirklichen Geisteskrankheit jederzeit
nahe.
Auch hysterisch Veranlagte sind für den Krüppelfürsorger nichts
Ungewohntes. Hysterische Menschen sind außerordentlich leicht zu
beeinflussen, sehr suggestibel, schwankend in der Stimmung, unausge-
glichen in ihren Gefühlen, haben eine krankhafte Phantasie, sind un-
wahrhaftig, eigensinnig, erotisch. Der Hysterische vermag durch ge-
fühlsbetonte Vorstellungen körperliche Störungen hervorzurufen, die
ebenso schnell, wie sie gekommen, auch wieder verschwinden können.
Lähmungen, Krämpfe, Gelenkversteifungen, Gefühllosigkeit, Haut-
blutungen, Stummheit, Harnverhaltung sehen wir auf diese Weise
entstehen. Die Hysterischen sind Menschen, denen andere immer
Beobachtung schenken sollen, die vor allem krankhaft egoistisch sind,
die rücksichtslos werden, wenn sie glauben, ihre Interessen würden
nicht genügend berücksichtigt, die sich für alles „Neue, Phantaxtische
und Sensationelle begeistern, wenn sie nur glauben, etwas Beson-
deres erleben zu können“, die in diesem Augenblick geziert, prüde, im
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