Sozialversicherungen veranlaßt gesehen, die früher so erfolgreich be-
triebene Familienhilfe einzuschränken oder ganz aufzuheben. Ich denke
vor allem an die segensreiche Bestimmung, die der Allgemeine
Knappsschaftsverein hatte, wonach er alle Kinder von Versicherten
hrrigltens acht Wochen lang auf eigene Kosten in die Anstaltspflege
übernahm.
Ein weiterer Weg, die Krüppelfürsorge zu verbilligen, ist der, daß
nach Möglichkeit alle Krüppel, die außerhalb der Anstalt beruflich aus-
gebildet werden können, in der Familienpflege verbleiben, damit sie
bei einem geeigneten Lehrmeister unterrichtet werden. Um die Fami-
lienpflege zu erleichtern, hat die Provinzialverwaltung sich bereit er-
klärt, allen denjenigen Lehrmeistern, die einen Krüppel zur Berufs-
ausbildung übernehmen, einen täglichen Zuschuß bis zur Beendigung
der Lehrzeit zu gewähren. Dieser Zuschuß soll ein Ausgleich dafür sein,
daß der handwerksmäßig auszubildende Krüppel dem Meister zu-
nächst nicht das bieten kann wie ein gesunder junger Mensch.
Eine Angelegenheit, die wiederholt zu Fragen Veranlassung ge-
geben hat, ist die Anwendung des Zwanges gegenüber den Eltern,
wenn sie der Krüppelfürssorge unvernünftigen Widerstand entgegen-
seßen. Das Krüppelfürssorgegesetz spricht zwar nicht von einem Zwange
bei der Unterbringung von Krüppeln. Dagegen ist in den preußischen
Ausführungsbestimmungen zum Gesetz die Rede davon, daß die
Krüppelfürsorgestelle sich nötigenfalls auf Grund der Fg 1666 und
1838 des B.-G.-B. an das Vormundschaftsgericht wenden solle. Die
Provinzialverwaltung hat bisher stets die Ansicht vertreten, daß die
Anwendung von Zwang bei der Unterbringung von Krüppeln mög-
lichst zu vermeiden ist, weil eine zwangsweise Unterbringung der
Kinder die Fürsorge nur unbeliebt macht. Die Anrufung des Vor-
mundschaftsgerichts ist deshalb auch nur in seltenen Fällen erfolgt.
Auf Grund der gemachten Erfahrungen sollte auch zukünftig das Vor-
mundschaftsgericht nur ausnahmsweise angegangen werden. Diese
Vorsicht darf jedoch dann nicht Platz greifen, wenn auf Grund eines
arztlichen Gutachtens mit Bestimmtheit ein erheblicher Nutzen durch
die Krüppelfürsorge, insbesondere durch die vorzunehmende Operation
zu erwarten ist. Handelt es sich nicht um eine Operation, sondern um
eine Schul- und Berufsausbildung, so ist die Anrufung des Vor-
mundschaftsgerichts und die zwangsweise Zuführung des Krüppels
zur Berufsausbildung dann gerechtfertigt, wenn das an sich zur Aus-
bildung geeignete Kind zu Hause nicht ausgebildet werden kann und
ttz peiäreqtäng besteht, daß es in Zukunft der öffentlichen Fürsorge
nheimfällt.
Es seien jetzt noch einige Mitteilungen über die Ergebnisse der
Krüppelfürsorge in der Provinz Westfalen in der Zeit vom 1. Oktober
1920 bis 1. Oktober 1924 gemacht. Die Zahlen stützen sich auf eine
7