freiheit wird man keinem erfahrenen und gewissenhaften Arzte vor-
enthalten können. Es ist gewiß ein Zeichen gesunder Selbstkritik, wenn
qute Orthopäden Wert darauf legen, daß ihre Erfolge von sachkundiger
unparteiischer Seite nachgeprüft werden und selbst bekennen: Wenn
man die operierten Fälle nach Jahr und Tag wiedersieht, so kann man
sich gewiß über manchen schönen Dauererfolg freuen, aber man wird
auch Mißerfolge und für den Krüppel teuer erkaufte Enttäuschungen
in Kauf nehmen müssen. Nach Abschluß des Heilverfahrens erhält die
Landesfürsorgestelle einen kurzen Bericht über die Art und den Erfolg
desselben, den sie in Abschrift den zuständigen Wohlfahrtsämtern zu-
gehen läßt. Wenn diese den Krüppel in gehöriger Weise weiter be-
treuen, so sind sie am ersten in der Lage, sich über die Dauerresultate
der Behandlung und Ausbildung ein objektives Urteil zu bilden. Hier-
bei ist auch das eigene Urteil des Krüppels und seiner Angehörigen
nicht zu unterschätzen.
Im Kriege wurde von einem unserer Orthopäden das Wort ge-
prägt: „Es gibt kein Krüppeltum mehr, wenn der eiserne Wille vor-
handen ist, es zu überwinden.“ Die starke Vermehrung und Ver-
größerung der Krüppelanstalten zeigen deutlich, daß das Ende des
Krüppeltums noch lange nicht gekommen ist. Ob das Krüppelgesetz
durch seine vorbeugende Bildung eine wesentliche dauernde Herab-
sezung der Zahl von Krüppeln bewirken wird, muß die nächste Zu-
kunft lehren. Die öffentliche Krüppelfürssorge wird ihre Aufgabe umso
besser erfüllen, je weniger sie belastet ist. Vor kurzem ist auf einer
Handwerkerausstellung in Rheine der Grundsatz proklamiert worden,
der Handwerker dürfe nur solche Lehrlinge nehmen, welche körperlich
und geistig volle Leistungsfähigkeit hätten und später voraussichtlich
selbst Meister werden könnten. Würde dieser Grundsatz allgemein
durchgeführt werden, so würden unsere Krüppelheime nicht mehr aus-
reichen und eine Üb erlastung der Krüppelfürsorge ent-
stehen, welche ihre Wirksamkeit lähmte. Es gilt darum auch in volks-
wirtschaftlicher Hinsicht, dem überhandnehmen des Krüppeltums vor-
zubeugen und die öffentliche Fürsorge zu entlasten. Jede Familie muß
wieder ihren Stolz darin setzen, ihre körperlich geschädigten Mitglieder
möglichst durch eigene Kraft durchzuhalten; jeder Stand, jede Gesell-
schaft und jedes Geschäft muß bereit sein, sich der Schwachen und
Hilfsbedürftigen in ihren Bereichen anzunehmen. Da es in letzter Zeit
vielfach nicht möglich war, einen verkrüppelten Lehrling bei einem
Handwerker oder in einer Fabrik unterzubringen, so sind einige Städte
dazu übergegangen, besondere Heim arbeitsstellen einzurichten.
Aus dem Bericht über die Krüppelfürsorge der Stadt Essen aus dem
Jahre 1924 ist zu entnehmen, daß dort 48 jugendliche Krüppel in acht
verschiedenen Berufen ausgebildet und beschäftigt wurden. Was den
tz