Full text: Neuzeitliche Krüppelfürsorge

Ambulante Krüppelfürsorge als Aufgabe der Bezirksfür- 
sorgeverbände. 
Von Or. Walter Schasse, Oberarzt am Oscar Helene-Heim und der Krüppelsürsorge- 
stelle VI, Berlin. Skalitzerstraße 9. 
Im Sinne des Preußischen Krüppelfürsorgegeseßes vom 6. Mai 
1920 ist ein Krüppel ein durch gewisse Krankheiten im Gebrauche 
seines Rumpfes und der Gliedmaßen derart behinderter Mensch, daß 
seine Erwerbsbefähigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkte wesent- 
lich beeinträchtigt ist. Der Zweck des Gesetzes ist, ihn soweit als irgend 
möglich wieder erwerbsfähig zu machen. Es sei hier bemerkt, daß 
unsere Ausführungen sich nur auf jugendliche Krüppel beziehen; denn 
bei Erwachsenen kommt die Erwerbsbefähigung nicht mehr in Frage, 
bei ihnen handelt es sich vielmehr nur um Bewahrung und Pflege 
(Sieche). 
Nun könnte man die Frage aufwerfen: ist denn überhaupt bei 
Krüppeln eine Erwerbsbefähigung außerhalb einer Anstalt möglich? 
Wenn jemand so behindert ist, daß dadurch seine Erwerbsbefähigung 
dauernd wesentlich herabgesetzt ist, so ist doch wohl an eine rein ambu- 
lante Versorgung nicht zu denken? Diese Fragen sind nicht mit einem 
Wort und nicht für alle Fälle gleichmäßig zu beantworten. 
Überlegen wir uns zunächst den Begriff der „Heimbedürftigkeit“. 
Prof. Bi es als k i sagt darüber in seinem Leitfaden der Krüppelfür- 
sorge: „Ein heimbedürftiger Krüppel ist ein . . . in dem Gebrauche 
seines Rumpfes oder seiner Gliedmaßen behinderter Kranker, bei 
welchem die Wechselwirkung zwischen dem Grad seines Gebrechens . . . 
und der Lebenshaltung seiner Umgebung eine so ungünstige ist, daß 
die ihm verbliebenen geistigen und körperlichen Kräfte zur höchstmög- 
lichen wirtschaftlichen Selbständigkeit nur in einer Anstalt entwickelt 
werden können, die über die eigens für diesen Zweck notwendige Viel- 
heit ärztlicher und pädagogischer Einwirkungen gleichzeitig verfügt.“ 
Aus dieser zwar etwas umständlichen, aber den Nagel auf den 
Kopf treffenden Begriffsbestimmung ersieht man, daß für die Beur- 
teilung der Heimbedürftigkeit nicht allein das Leiden oder sein Grad 
maßgebend ist, daß vielmehr die Wechselwirkung zwischen dem Leiden 
des Krüppels und seiner Umgebung in jedem einzelnen Falle berück- 
sichtigt werden muß. Zahlreiche äußere Umstände kommen dabei in 
Betracht. Der eine Krüppel ist schon mit einem geringfügigeren Leiden 
heimbedürftig (anstaltspflegebedürftig), weil er in schlechten sozialen
	        
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