Full text: Der geistige Arbeiter in der gegenwärtigen Gesellschaft und Geschichtsepoche

kommen und brauche billige Lebensmittel, habe also reines 
Konsumenteninteresse. Da gibt es, wenn man reine Kon- 
sumenteninteressen verteidigen will, nur eine Waffe: die ge- 
nossenschaftliche Organisation. Gewerkschaftliche Organissatio- 
nen, genossenschaftliche Organisationen sind die Kampfmittel, 
die das Proletariat in hundert Jahren des Kampfes gegen 
das Kapital ausgebildet und ausgeübt hat, und die gei- 
stigen Arbeiter sind immer mehr genötigt, zu denselben 
Waffen zu greifen, wie die sogenannten manuellen Ar- 
beiter. Wir erleben nun, daß Organisationen von geistigen 
Arbeitern ihre gewerkschaftliche Vertretung in zentrale Gewerk- 
schaftskommissionen entsenden. Es ist also die Loslösung nicht 
nur in der inneren Struktur erfolgt, sondern in der ökonomi- 
schen Gesamtlage, und das, was die ökonomische Gesamt- 
lage erfordert, ist nun auch in den gesellschaftlichen Be- 
ziehungen durchgeführt. 
e) Die gesellschaftliche Absonderung. Wechselheirat. 
Der Weg nach oben gesperrt. 
Was ist das Grundmerkmal der Verbindungsfähigkeit sozia- 
ler Schichten? Was die Lateiner conubium nennen, das heißt 
das Recht und die Gepflogenheit der Wechselh eirat. Schich- 
ten, in denen Wechselheirat die Regel ist, sind gesellschaftlich 
dieselben Schichten. Schichten, in denen Wechselheiraten als 
Mißheiraten empfunden werden, sind sich fremde Schichten. 
Nun waren die Gebildeten, wie sie ehedem hießen, oder die 
geistigen Arbeiter, wie sie jetzt heißen, früher mit der Bour- 
geoisie in allen ihren Zweigen durch den Anspruch auf Wechsel- 
heirat verbunden. Das hat nun heute vielfach ~ ich weiß 
nicht, wie die Verhältnisse hier in Berlin sind – beim Klein- 
bürgertum aufgehört. Die Kleinbürger selbst und die Bauern 
haben Mißtrauen gegen die Schicht der Studierten, der nie- 
deren Beamten. Sie halten sie mehr oder weniger für Hunger- 
leider. Während z. B. noch unmittelbar vor dem Kriege die 
Heirat eines jungen Landlehrers und einer Großbauerntochter 
das Selbstverständlichste von der Welt war, ist das heute gar 
nicht mehr so der Fall, wenigstens bei uns. 
Aber wie kommt es denn, daß hier der Riß so stark geworden 
ist? Daran hat der Krieg am meisten verschuldet. Der geistige
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.