Regulierung der Besitzverteilung. 185
unrealisierbare Utopie bezeichnet werden muß, weil das „Holz“ nicht ein Einheitsstoff wie
Eisen oder Kohle, sondern einen nach Qualität, Sortiment und Verwendungs- und
Verbrauchsfähigkeit äußerst mannigfaltigen „Komplex von Arten und Güterklassen darstellt,
dessen Bewertung und Verwendung unendlich viele und verschiedenartige Lösungen in sich
trägt. Um das Holz in die Verbrauchskanäle zu leiten, müssen mehr Aufsichtsbeamte als
Arbeiter tätig sein:!).“
Das Gesagte gilt aber nicht minder auch für die Bestrebungen zu einer Ver -
staatlih ung der Forstwirtschaft im engeren Sinne (der Rohholz-
gewinnung), d. h. für die Überführung aller nichtstaatlichen Waldungen, vor allem aber der
Privatwaldungen, in das Eigentum des Reiches oder der Länder. Die Frage, ob eine
Verstaatlichung des Privatwaldes vorteilhaft ist oder nicht, läßt sich selbst dann, wenn man
sie rein volkswirtschaftlich betrachtet, nicht entscheiden. Solange man lediglich ökonomische
Gesichtspunkte gelten läßt, ist zwar keine Entscheidung der Frage nach dem „Soll“, aber
wenigstens eine wissenschaftliche Untersuchung möglich. Wenn aber außerökonomische
Momente (soziale, politische, nationale, ethische usw.) mit in Betracht gezogen werden oder
gar für die Frage der Besitzverteilung entscheidend sind, so ist mit wissenschaftlichen Mitteln
überhaupt nichts auszumachen. „Hier gibt es nicht nur keine Möglichkeit einer wissen-
schaftlichen Einigung, sondern nicht einmal eine solche der wissenschaftlichen Diskussion. Denn
hier hängt die Stellungnahme von der ganzen Lebensauffassung, den Ansichten über die
Bestimmung des Menschengeschlechtes usw. ab. M ar x und N i e ß sch e müssen aus ihrer
gesamten geistigen Persönlichkeit heraus zu entgegengesethten volkswirtschaftlichen Postulaten
gelangen?).“
Deshalb ist auch die En dre s sche Stellungnahme zur ,„Sozialisierung“ der Forst-
wirtschaft als unwissenschaftlich abzulehnen. Nach Endres steht „über jedem
Sozialisierungssystem . . . die ewige (!) Wahrheit, daß der Ausgangspunkt alles (!)
wirtschaftlichen Handelns das Streben nach Erwerb, Gewinn, Besitz und Eigentum ist.
Freiheit der Person, Freiheit und Schutz des Privateigentums und die Arbeitskraft sind
die natürlichen Grundpfeiler der Kultur und des wirlsschaftlichen Fortschritts. Der
Individualismus und Egoismus sind stärkere wirtschaftliche Kräfte als die Gemeinwirlschaft
und die Gemeinschaftsgesinnung.“ Das ist die Religion eines Liberalisten, aber keine
„ewige Wahrheit“! Das sind die Glaubenssätze eines Individualisten, aber nicht die
Ergebnisse einer Wisssenschaste. Das Operieren mit solchen Argumenten ist und bleibt
unwisssenschaftlich.
Wie steht es aber, wenn man sich auf die rein volk s wir t s ch af t liche Seite
d er Frage beschränkt? F ü r eine Verstaatlichung der Nichtsstaatswaldungen dürfte
hier zunächst die weiter oben schon erwähnte h er v orr ag ende Eignung des
Staatsforstbetriebs zur Erfüllung der volk swirtscaftlichen
Auf g ab en der Forstwirtsc<h aft ins Feld zu führen sein. F ü r die Ver-
staatlichung spricht aber auch die gute Verfasssung des zur Zeit vorhandenen Staatswaldes,
die mit dem Zustand eines großen Teiles. vor allem der kleineren Privatwaldungen,
stark kontrastiert.
Auch die Holzpr o du k t i o n der Staatswaldungen ist pro Hektar größer als die
der Privatwaldungen. Nach der Erhebung des Iahres 1913?) hatten die Staatsforsten des
') Endres, ]. c., S. 446.
?) Sthiff, 1. c.. S. 487.
?) Vgl. weiter oben S. 106.