Verhältnis der Forstwirtschaftspolitik zur Wirtschaftspolitik und Forstwirtschaftslehre. 17
Wälder“ als deren wahren Gegenstand an. Anders ausgedrückt: er erblickt wie
Hundes h a g en auch das Wesen der forstwirtschaftlichen Tätigkeit nicht in der
Realisierung der forstwirtschaftlichen Güter, sondern in der Behandlung der Wälder.
Als eine „Behandlung der Wälder“ faßt er aber nicht nur das forstwirischaftliche Handeln
des Forstwirts, sondern auch das forstwirtschaftspolitische Handeln des Staates auf, und
übersieht dabei ganz, daß das forstwirtschaftspolitische Handeln nicht nur auf den Forst,
sondern vor allem auch auf die Forstwirtschaft gerichtet ist. So werden ihm diese beiden
grundverschiedenen Arten des Handelns zu Gegenständen seiner „Forstwissenschaft“; und
so kommt er dazu, neben der Forstwirtschaftslehre noch eine Forstpolitik als ein zweites
normatives Glied in seine Forstwissenschaft aufzunehmen. Diese hat also nicht einen
einheitlichen, sondern zwei ganz verschiedene Gegenstände, die durch den falschen Oberbegriff
„Behandlung der Wälder“ nur notdürftig und künstlich zusammengehalten werden, Jich
in Wirklichkeit aber völlig fremd, gleichgültig und unverbunden einander gegenüberstehen.
Es wird überhaupt kein Versuch gemacht, ihre Spannung zu überwinden. Diese Forst-
wissenschaft ist eine bloße Addition, aber keine Komposition. Zwei Lehren sind in ihr
ohne jegliche Verknüpfung nebeneinander gestellt. Die eine lehrt die bestmögliche
Realisierung eines rein privatökonomischen Zieles, die andere ist ausschließlich wirtschafts-
politisch orientiert. Die andere Einseitigkeit soll die eine gleichsam nachträglich korrigieren.
Dieser an die Namen Hundes h ag en und Kraft geknüpften systematischen
Richtung erwuchs aber schon sehr früh eine gegnerische Strömung, welche das Kind mit
dem Bade ausschüttete und von einer Aufnahme der wirtschaftspolitischen Grundlagen
unserer Wissenschaft in deren System ~ sei es nun in dieser oder jener Form ~ überhaupt
nichts wissen wollte. Der Gedanke, daß die Forsstwirtschaftspolitik nicht in das System
der Forstwirtschaftslehre hineingehöre, ist nicht neu und schon sehr früh in unserer Literatur
ausgesprochen worden. Schon im Jahre 1811 schreibtt Fr esenius folgendes:
„Der Verfasser kann sich nicht überzeugen, daß der besondere Zweig der Staatswirt-
schaft, welcher das Forstwesen betrifft, Gegenstand der Forsstwissenschaft sei, und er
fühlt sich daher ebensowenig versucht, die bisher häufig so genannte höhere Forst-
wissenschaft für etwas anderes, als ein Gemenge der eigentlichen Forsstwissenschaft mit
Grundsätzen der Staatswissenschaft zu halten, als er die Mitglieder derjenigen Sektion
des Staatsrates, welcher die oberste Direktion des Forstwesens anvertraut ist, höhere
Forstbediente nennen möchte.! Wenige Jahre später, 1819, bemerktt Wittwer !)
gelegentlich der Kritik des Systems von Gl e di t \ < : „Wenn ferner . . . die Forst-
wissenschaft lehren soll, was man in den Waldungen zu tun berechtigt ist, so überschreitet
sie . . . ihre natürlichen Grenzen und schweift in das Gebiet der Rechtskunde aus. . . .
Nur das Unterhalten und Nutzen der Waldungen gehört der Forstwissenschaft an.“ C ar l
Hey er hat sich zwar nicht direkt gegen die Eingliederung der Forstpolitik ausgesprochen,
hat sie aber in seinem System erster Fassung auch nicht berücksichtigt. Welche Gründe ihn
dazu bewegten, das kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden; naheliegend ist die
Vermutung, daß es der Ausfluß einer bloßen Opposition gegen den ihm feindlich gesinnten
Hundes hagen war, die ihn dazu bestimmt hat. ~ In allerneuester Zeit sind
Wappes und Kaßt er als Gegner der Eingliederung einer Forsstpolitik in unsere
Wissenschaft aufgetreten. W a p p e s versteht unter der Forstwirtschaft, die er mit vollem
Recht als den Gegenstand unserer Wissenschaft bezeichnet, nur „die auf den Wald sich
') Toh. Philipp Wittwer, „Beiträge zu des Herrn Staatsraths G. L. Hartigs Lehr-
buch für Förster“. Erster Teil, Marburg und Cassel 1819, S. 2.
Weber, Forsstwirtschaftspolitik.
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