Tamm IL,
Dazu kommt nun ferner als soziologisch bedingt, daß
jede Gesellschaft einen Kodex von Normen und Wertungen be-
sitzt. Welche Normen und Wertungen, das interessiert uns
hier nicht. Wir rechnen sozusagen mit unbenannten Ziffern und
brauchen nichts weiter für unsere Rechnung als das Datum, daß
jede Gesellschaft ein bestimmtes Recht und eine bestimmte Sitte
und für Dinge und Menschen bestimmte Wertungen besitzt. Von
Recht und Sitte braucht hier nicht weiter gehandelt zu werden,
dagegen interessiert uns die Bewertung von Dingen und Menschen,
weil sie, in ökonomische Termini umgeformt, in unsere Rechnung
eingehen: als Qualität und Qualifikation.
Beide Phänomene gehören der Sphäre der Werterscheinung
an, wie diese der weiteren Sphäre der Interessen, Wir haben dazu
geschrieben: „Jedes Begehren in seiner Eigenschaft als Interesse
verleiht seinem Gegenstande einen Wert ... und dieser Wert
erscheint dem Bewußtsein dann als eine objektive Eigenschaft des
Dinges, die ihm an sich zukommt, wie etwa die Süße dem Zucker.
Es sagt nicht, ich verleihe dem Ding Wert, sondern das Ding
hat Wert. Die subjektive Desirabilität erscheint als objektive
Utilität, so etwa wie das Licht des Mondes uns als sein eigenes
erscheint.“ (Theorie, S. 80.)
Völlig wissenschaftlich korrekt ist mithin nur der Ausdruck
„Wert“ als Substantivierung des Zeitwortes „bewerten“: als Be-
wertung durch den Begehrenden, zu verstehen. Nicht korrekt
aber ist die dem Worte im gemeinen Sprachgebrauch verliehene ad-
jektivische Bedeutung, wo es die Eigenschaft eines Dinges bezeich-
net. Hier war bisher vom subjektiven Verwendungswert die Rede:
dem in die Kompetenz der Psychologie fallenden Verhältnis zwischen
einer Person und dem von ihr begehrten Gute. Ganz ähnlich liegt
es bei dem objektiven Beschaffungswert in seiner gesellschaft-
lichen Erscheinungsform als Tauschwert. Auch hier faßt der ge-
meine Sprachgebrauch den Begriff adjektivisch als „inneren Wert“
eines Dinges: er bedeutet aber auch hier nichts anderes als, in
verbalem Sinne, Bewertung, und zwar hier nicht durch eine
Person, sondern durch die Gesellschaft. Er bezieht sich eben auf
einen soziologischen Tatbestand, das heißt auf eine Objektivität,
eine Extensitätsgröße, nicht mehr wie dort auf einen psycholo-
gischen Tatbestand, eine Subjektivität, eine Intensitätsgröße *).
ı) Vgl. unsere Allg. Soziologie, S. 445 ff.