Full text: Die kassenärztlichen Rechtsverhältnisse

Einleitung. 
pflicht liegt vor, wenn ein Arzt in Fällen dringender Lebensgefahr ärztliche Hilfe 
verweigert >). Solche Fälle der Behandlungsverpflichtung kraft Standespflicht 
können, müssen sich aber nicht decken mit den Fällen, in denen als „dringenden‘‘ 
die RVO. den Versicherten usw. gestattet, sich durch Ärzte behandeln zu lassen, 
mit denen die Krankenkasse nicht in Vertragsbeziehungen steht ($ 368 1 Halb- 
satz 2). Nur in letzteren Fällen begründet die Behandlung ein Rechtsverhältnis 
des Arztes zu dem Kassenmitglied, auf Grund dessen der Arzt von diesem Be- 
zahlung. seiner Leistungen fordern kann; diese Forderung steht dem Arzte wahl- 
weise neben einer solchen gegen die Kasse des Versicherten zu. In gleicher Weise 
entsteht eine doppelte Forderung der behandelnden Person gegen Kasse und Ver- 
sicherten, wenn in dringenden Fällen kein approbierter Arzt oder Zahnarzt zu- 
gezogen werden kann, vielmehr die Hilfeleistung von Badern, Hebammen, Heil- 
dienern, Zahntechnikern usw. in Anspruch genommen wird ($ 122% Abs. I 
Satz 2 RVO.). 
Da die Ärzte nicht an sich schon gegenüber den Kranken und 
erst recht nicht gegenüber den Krankenkassen zur Behandlung ver- 
pflichtet sind, bedarf es zwischen dem Arzt und der Kasse der Schaffung 
eines Rechtsverhältnisses, auf Grund dessen der Arzt die Personen 
zu behandeln hat, denen die Kasse ärztliche Behandlung zu leisten 
verpflichtet ist. Ein solches Rechtsverhältnis ist im geltenden deutschen 
Sozialversicherungsrecht wicht unmittelbar durch Gesetz begründet, 
noch kann es einseitig durch obrigkeitlichen Akt (der etwa von der 
Krankenkasse oder von einer Versicherungsbehörde ausgehen würde) 
begründet werden, Vielmehr steht zu seiner Schaffung nur der pr ivat- 
rechtliche Vertrag zur Verfügung, für den die Schriftform 
vorgeschrieben ist ($ 368% Halbsatz I RVO.). Da die Kranken- 
kassen ihren Mitgliedern zur Leistung ärztlicher Behandlung gesetzlich 
verpflichtet sind und diese Leistung regelmäßig in Natur zu gewähren 
haben, selbst aber durch ihre Organe und ihr Verwaltungspersonal 
zu ärztlichem Behandeln nicht fähig sind, müssen sie sich die ärztlichen 
Leistungen durch privatrechtliche Verträge mit Ärzten verschaffen. Auf 
Grund dieser Verträge können sie sich dann den Versicherten gegenüber 
der Ärzte als ihrer Erfüllungsgehilfen (in öffentlichrechtlichen Ver- 
pflichtungen— ohne daß $278 BGB. anwendbar wäre) bedienen, Kranker 
und Arzt kommen hierbei, bei der kassenärztlichen Behandlung, nur in 
tatsächliche Fühlung, ohne daß ein besonderes Rechtsverhältnis unmittel- 
bar zwischen ihnen erwüchse; wur kann gelegentlich der Behandlung aus 
einer unerlaubten Handlung des Arztes, einem von ihm zu vertretenden 
Kunstfehler, ein unmittelbares Rechtsverhältnis zum Behandelten, eine 
Schadenersatzverpflichtung, entstehen. Grundsätzlich beschränkt sich 
das kassenärztliche Rechtsverhältnis auf Kasse und Arzt als beteiligte 
Rechtssubjekte, und der Kassenpatient ist dabei ebenso nur T’atbestands- 
stück, Objekt der ärztlichen Verpflichtung, wie wmgekehrt im Rechts- 
verhältnis des Versicherten zur Krankenkasse bei Gewährung der ärzt- 
lichen Behandlung der Arzt nur Tatbestandsstück, wur HErfüllungs- 
gehilfe* ist und gegewüber dem Behandelten nicht als Rechtssubjekt 
in Betracht kommt. (Wird ein Familienangehöriger des Versicherten 
5) Vgl. Joachim-Korn, Der Arzt in der RVO. (Jena 1912), S. 152.
	        
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