Full text: Psychologie der Werbung

trat vorsichtig heran, überzeugte sich vermeintlich von dem Vor- 
handensein des Wildschweines, zielte sorgfältig und gab einen 
Kugelschuß ab. Die Kugel aber hatte einen dem Beamten un- 
bekannten, älteren Mann mit langen Haaren, der im Dickicht 
saß, getroffen. 
In beiden Fällen waren unglückliche Illusionen oder (wie wir 
in unserem Zusammenhang besser sagen) auf besonderen Ein- 
stellungen der Persönlichkeit beruhende Wahrnehmungen die 
Ursache des Unglücks. Unsere beiden J äger waren infolge von 
alledem, was sie gehört und überhaupt erfahren hatten, von der 
Erwartung Sauen vor sich zu haben so durchdrungen, daß die im 
Dunkeln bzw. im Dickicht naturgemäß undeutlichen bzw. frag- 
mentarischen Reize zur Wahrnehmung der Gestalt von Wild- 
schweinen führen mußten. Die Wahrnehmung resultiert eben 
nicht bloß aus den Reizen. Sie setzt sich nicht nur aus Emp- 
findungen zusammen. Sie enthält auch einen gestaltlichen Fak- 
tor, der zentral bedingt ist und je nach der Einstellung der Per- 
sönlichkeit so oder anders geartet ist. 
Die Abhängigkeit der Sinneswahrnehmungen von der Einstel- 
lung ist auch eine sehr wesentliche Grundlage des Wunderglau- 
bens. So wird heute viel von auffallenden Erscheinungen an dem 
Christusbild zu Limpias in Spanien geredet!), das die Augen 
auf und nieder schlägt, die Farbe verändert. den Ausdruck des 
Todeskampfes und dann wieder den der Verklärung zeigt, den 
Mund öffnet und schließt usw. Diese Täuschungen, denen viele 
Tausende zum Opfer fielen, sind Folgen der Einstellung, die 
durch die wechselseitigen Wirkungen der in Frage kommenden 
Personen aufeinander noch verstärkt wurden. Überhaupt erklärt 
die Einstellung einen großen Teil des Wunderglaubens und der 
Wunder. Sie ist auch die Grundlage vieler anderer Kultur- 
erscheinungen. 
*) v. Kleist, Auffallende Erscheinungen an dem Christusbilde von 
Limpias. Kirnach-Villingen (Baden). 7. Aufl. 1924. 
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