Full text: Psychologie der Werbung

Die Reklame muß dort einsetzen, wo ein Bedürfnis für die Dienste 
besteht, deren Inanspruchnahme der Geschäftsmann erstrebt. 
In vielen Fällen ist es allerdings möglich und nötig, dies Be- 
dürfnis erst zu schaffen. Die Kulturgeschichte zeigt uns stets 
neue, aber auch veraltende und veraltete Bedürfnisse. KEisen- 
bahnen, Telegraph und Telephon, die früher unbekannt waren, 
gelten heute als unabweisbare Bedürfnisse. Die Pferdedroschken 
fangen an zu veralten und die einst viel gebrauchte Sänfte ge- 
hört heute fast ganz der Geschichte an. Das Bedürfnis der Frau, 
gegebenenfalls beruflich wirken zu können, an das man einst 
kaum gedacht hat, ist uns heute etwas Selbstverständliches ge- 
worden und sportliche Betätigungen, die man vor sechzig Jahren 
bei uns kaum kannte, scheinen zurzeit ein ganz allgemeines Be- 
dürfnis zu werden. Wenn nun aber der Wandel der Bedürfnisse 
auch zweifellos durch die Fortschritte von Wissenschaft, Tech- 
nik, Handwerk und Kunst und durch andere zwangsläufig wir- 
kende Faktoren in weitem Umfang ganz von selbst entsteht, so 
darf doch auch die willkürliche Einstellung der Menschen auf 
neue Bedürfnisse durch andere Menschen nicht übersehen wer- 
den, wie wir dies ja z. B. bei der Frauenbewegung deutlich er- 
fahren haben. Ebenso kann auch der Geschäftsmann ihm vorteil- 
hafte Bedürfnisse schaffen; ja er wird in vielen Fällen hierzu ge- 
zwungen sein. Wer in einer amusischen Stadt eine Kunsthand- 
lung einrichten will, darf nicht einfach seinen Laden aufmachen 
und eine Verkaufsreklame für seine Bilder,/und Skulpturen er- 
öffnen. Er wird vielmehr zunächst bestrebt sein müssen, das 
Kunstinteresse in dieser Stadt durch Ausstellungen, Vorträge, 
geeignete Zeitungsaufsätze oder sonstwie zu begründen, dadurch 
das Kunstbedürfnis zu wecken und dann erst als Geschäftsmann 
hervortreten. 
Natürlich muß man vorhandene geschäftlich wertvolle Bedürf- 
nisse aber auch zu erhalten und wenn möglich zu steigern suchen, 
Wer Operntexte verkaufen will, muß nicht nur das Theaterpubli- 
57) 
5
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.