allgemeinen Zoll: und Handelsver:
tragssystems. Da steht im Vorder:
grunde die Frage des Meistbegünstigungs-
systems. Es wird Ihnen erinnerlich sein, daß
die Weltwirtschaftskonferenz empfohlen hat,
daß alle Länder wieder zu dem System der
Meistbegünstigung zurückkehren möchten,
und daß der Völkerbund einen einheitlichen
Typ der Meistbegünstigungsklausel schaffen
möchte. Um sich über die Tragweite dieser
Meistbegünstigungsklausel, die in vielen Be-
ziehungen streitig ist, schlüssig zu werden,
hat man innerhalb des Wirtschaftsaus-
schusses des Völkerbunds auf Grund von
Referentenberichten, die in diesem Frühjahr
ausgearbeitet worden waren, im wesent;
lichen folgende Fragen besprochen. Zuz-
nächst die Frage, ob, wenn ein Land einem
anderen Lande die Meistbegünstigung (aber
nicht mehr als die Meistbegünstigung) an:
bietet, dieses Land ein moralisches Recht
darauf hat, von jedem anderen Lande die
Meistbegünstigung zu erhalten. Das war
der Standpunkt der Vereinigten Staaten
schon auf der Weltwirtschaftskonferenz.
Der gleiche Standpunkt wurde von England
vertreten, während die kontinental - euro:
päischen Staaten sich gegen die Anerken:
nung eines solchen moralischen Rechts
wendeten. Es würde das nämlich bedeuten,
daß, einerlei, wie hoch das Tarifsystem eines
Landes ist, dieses Land allein durch das Anz
bieten der Meistbegünstigung von anderen
Staaten, die vielleicht ein sehr viel niedrige:
res Tarifsystem haben, die Meistbegünsti-
gung erhalten könnte, während selbstver-
ständlich diese anderen Staaten ein Interesse
daran haben, die Möglichkeit zu besitzen,
durch Versagung der Meistbegünstigung
einen Druck auf das fremde Zollniveau aus-
zuüben.
Der zweite Fragenkomplex, der in das
Gebiet der Meistbegünstigung fällt, ist die
Frage der unter regionalen Gesichtspunkten
zulässigen Ausnahmen von der Meist:
begünstigung. Sie kennen z. B. die baltische
Klausel. In dieses Kapitel fallen auch die
Präferentialsysteme zwischen Mutterländern
und Kolonien, und die bekannten Be-
strebungen, die man mit der Bezeichnung
„Donaukonföderation“ zusammenzufassen
pflegt.
Der dritte Fragenkomplex der Meist-
begünstigung deckt sich einigermaßen mit
der berühmten Streitfrage, die wir mit den
Vereinigten Staaten haben, ob Antidumping-
Maßnahmen mit der Meistbegünstigung in
Übereinstimmung zu bringen sind.
Dann kommt noch eine ganz schwierige
Meistbegünstigungsfrage, die Frage,. wie
Außenseiter bei Kollektivverträgen zu be:
handeln sind, welche die Meistbegünstigung
jegenüber einem der an dem Kollektiv:
vertrage Beteiligten genießen. Nehmen Sie
z. B. an, es würde die Konvention über die
Aufhebung der Ein- und Ausfuhrverbote
'atifiziert, und es würde irgendein Land
lieser Konvention nicht beitreten und weiter
Aus: und Einfuhrverbote handhaben, es
würde aber mit einem der „Kartellmitglieder“
:#inen Meistbegünstigungsvertrag haben —, so
st die Frage die, ob nun auf Grund der
Meistbegünstigung dieses Land das in An-
;pruch nehmen kann, was es eigentlich nur
zu bekommen hätte, wenn es selbst in das
<artell hineinginge und dann auch die Kon:
jequenz für seine eigene Politik zöge. Diese
Frage hat schon einmal eine praktische
Rolle bei der Zuckerkonvention in der Vorz
<riegszeit gespielt. Da verlangte Rußland
ıuf Grund eines mit England bestehenden
Meistbegünstigungsverhältnisses die Vorteile
der Zuckerkonvention, also die Vorteile der
in der Zuckerkonvention vorgesehenen
Töchstzölle zu erhalten, obwohl es seiner:
zeits die Voraussetzungen, unter denen die
Töchstzölle zugestanden waren, nämlich die
\bstandnahme von Prämien, nicht erfüllen
ınd auch nicht der Zuckerkonvention bei:
reten wollte. Damals hat sich England auf
len Standpunkt gestellt: nein, du kannst auf
arund der Meistbegünstigung das nicht be:
inspruchen, während Rußland sich auf den
Standpunkt stellte: die Meistbegünstigung
3ibt mir das Recht dazu. Bei der Erörterung
Jlieser Frage im Wirtschaftsausschusse des
Völkerbundes wurde man sich zwar darüber
klar, daß, soweit es sich um bestehende Ver:
träge handelt, es im wesentlichen von der
Auslegung dieser laufenden Verträge und
der in ihnen enthaltenen Meistbegünsti-
zungsklausel abhängen müßte, welche Rück:
wirkungen aus der Meistbegünstigungs-
<lausel auf diese Verhältnisse eintreten.
Aber de lege ferenda, für künftige Handels:
verträge konnte man sich nicht recht klar
werden. Es liegt auf der Hand, welche große
Bedeutung diese Frage hat.
Die ganze Frage der Meistbegünstigung
muß noch weiter geprüft werden. Man ist
bis jetzt erst so weit, daß man sich einiger:
naßen darüber klar ist, worüber man sich
änig und worüber man sich uneinig ist,
und das ist gewiß noch nicht viel.
Einen besonders breiten Raum hat in
den Erörterungen das allgemeine Zoll:
ınd Handelsvertragssystem und