Full text: Geschichte des öffentliche Kredites

55, Die Persönlichkeit der Schuldner, Bürgschaften und Substitutionen. 491 
später auch durch Vermittlung von Orleans, Troyes, Toulouse, Rouen, Lyon usw. be- 
geben). Bei Liquidation der Schulden des ancien regime, am 1. Januar 1793, beliefen 
sich die rentes dites de I’Hötel de Ville, ohne Mitberücksichtigung der unter städti- 
scher Mitwirkung begründeten Leibrenten, auf nahezu 63 Millionen Livres jährlicher 
Rente, gleich 70% der gesamten konsolidierten Schuld (dette perpetuelle). Unter dem 
Gesichtspunkte ihres Einflusses auf die formale Gestaltung des öff. Kredites sind die 
von den Städten den Landesherren geleisteten Dienste insoferne von Bedeutung, als sie 
zu einer Zeit, da. die Finanzverwaltungen ihren Gläubigern noch durchgängig Kündi- 
gungsrechte einräumen mußten (vgl. nachstehend S. 499), die Nutzbarmachung der 
Rentenanleihensformen bei Befriedigung des staatlichen Kreditbedarfes erlaubten. 
Stärker als die Städte haben die Stände durch ihre Bürgschaften und Substi- 
tutionen die Herausbildung moderner Formen der Staatsschuld überall dort beeinflußt, 
wo der fürstlich-ständische Dualismus sich lange und kräftig genug erhalten hat. Mit 
dem ständischen Steuerbewilligungsrecht und der eigenen ständischen (landschaftlichen) 
Finanzverwaltung waren auch die Grundlagen eines ständischen Kredites gegeben, der 
von den Kapitalgebern häufig günstiger als der landesfürstliche Kredit beurteilt wurde. 
Die Voraussetzungen dieser Bevorzugung des Ständekredites und der ständischen Sub- 
stitutionen werden z. B. in einem Expose des österreichischen Finanzpolitikers Grafen 
Zinzendorf (1761) sehr deutlich umschrieben: in Monarchien, wo die unumschränkte 
Gewalt des Landesfürsten die Gläubiger nie ohne eigene Beisorge wider den Mißbrauch 
der Gewalt lasse, bleibe dem Staat kein anderes Mittel übrig, um das Vertrauen des 
Publikums an sich zu ziehen, als in Ansehung der öffentlichen Darlehen der Ausübung 
der landesfürstlichen Gewalt so viel als möglich zu entsagen, sich des Kredites gewisser, 
mit uralten, nie angefochtenen Privilegien versehener Korporationen zu bedienen und 
diese, die Stände, zwischen sich und den öffentlichen Gläubigern als Mittelspersonen 
festzusetzen. Die Mitwirkung der Stände konnte sich auf Bürgschaft beschränken oder 
in der Verpflichtung als Selbstschuldner bestehen (Aerarial- und Domestikalschulden 
nach der deutschen Terminologie des 18. Jhs.). Im ersten Falle werden die Anleihens- 
schulden wohl für Rechnung der staatlichen Finanzverwaltung, aber durch Vermittlung 
und unter Bürgschaft der Stände aufgenommen; solche Schulden sind fast immer fun- 
diert durch Anweisung auf die von den bürgenden Ständen bewilligten Steuern (stän- 
dische „,Kontributionen“), und die Stände übernehmen mit ihrer Bürgschaft auch die 
Verpflichtung, die zur Verzinsung erforderlichen Kontributionsquoten unmittelbar an 
die Gläubiger abzuführen. Diese Art ständischer Mitwirkung war besonders in Oester- 
reich häufig, und die erste von den Ständen sämtlicher deutschen Erblande verbürgte 
österreichische Anleihe, 1761, wurde als Entstehung eines österreichischen ‚‚National- 
kredites‘‘ empfunden, „dessen bloßer Name nicht ermangeln könnte, auf das einheimische 
sowohl wie auf das auswärtige Publikum den vorteilhaftesten Eindruck zu machen‘“‘. 
Von solchen, durch die Stände lediglich verbürgten Anleihen sind diejenigen verschieden, 
die zwar ebenfalls zur Deckung eines bei der staatlichen Finanzverwaltung vorliegenden 
Kreditbedarfes ausgegeben werden, für welche aber die Stände nicht. subsidiär als Bürgen, 
sondern unmittelbar als Schuldner haften. Solche ständischen Anleihen können wieder 
auf zweierlei Weise entstehen, von welchen die eine in Frankreich, die andere in den 
deutschen Territorialstaaten besonders üblich war. Die französische Finanzverwaltung 
tritt, wenn es einen größern Kreditbedarf zu befriedigen gilt, wenn immer möglich an 
die Provinzialstände, namentlich die der reicheren pays d’etats (Burgund, Bretagne, 
Provence, Languedoc usw.) mit dem Begehren heran, Teile der benötigten Beträge 
durch Ausgabe ständischer Anleihen aufzubringen, die durch Anweisung auf die unter 
Leitung ständischer Organe erhobenen Steuern fundiert werden. In deutschen Territorial- 
staaten dagegen, in Welchen Stände sich erhalten haben, wurde seit dem 15. bis ins 
ausgehende 18. Jh. von Zeit zu Zeit, sobald die wenig steigerungsfähigen Einkünfte der 
landesherrlichen Kammer aus Domänen und Regalien durch den Zinsendienst allzu- 
schwer belastet waren, die ‚„„Universalmedizin‘“ angewendet, die nach Justus v. Möser 
darin bestand, „daß man die Landstände ersuchte, sämtliche Kameralschulden oder 
doch eine gewisse Summe von dem Herrn ab und mit Kapital und Zinsen auf das Land 
zu nehmen‘‘, Jede solche von der Regierung erbetene und von den Ständen bewilligte
	        
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