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schen durch die Staaten die Förderung ihrer wirtschaft—
lichen Interessen suchten. Die nationalen Wirtschaften
stellten sich störend in die nach Einheit strebende Weltwirt—
schaft hinein. Sie suchten wirtschaftend für sich als Ge—
winne einzuheimsen, was nur in dem allgemeinen Wirt—
schaftsleben zirkulieren sollte. (Aus: „Grundsätzliches zur
Dreigliederung“ S. 37/38)
Was waren die „Kriegerischen Rüstungen“ anderes
als Maßnahmen solcher Menschen, welche Staatsgebilde
in einer Einheitsform aufrecht erhalten wollten, trotzdem
diese Form durch die Entwicklung der neuen Zeit dem
Wesen eines gesunden Zusammenlebens der Völker wider—
sprechend geworden ist? Ein solches gesundes Zusammen—
leben aber könnte bewirkt werden durch denjenigen sozialen
Organismus, welcher aus den Lebensnotwendigkeiten der
neueren Zeit heraus gestaltet ist (Aus: „Die Kernpunkte
der sozialen Frage“, IV. Kap.)
Die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus
trägt dem Rechnung, was der marxistische Sozialismus
übersieht. Sie macht Ernst damit, das Wirtschaftsleben
nur von den Gesichtspunkten aus zu verwalten, die sich
aus ihm selbst ergeben. Aber durch sie wird auch erkannt,
daß die geistigen Bedürfnisse und die rechtlichen Forderun—
gen der Menschen in besonderen Verwaltungen geordnet
werden müssen. Dadurch aber werden auch die internatio—
nalen geistigen Beziehungen und die Rechtsverhältnisse
unabhängig von dem Weltwirtschaftsleben, das seine eige—
nen Wege gehen muß. (Aus: „Grundsätzliches zur Drei—
gliederung“, S. 39)
Wirtschaftliche Beziehungen des einen Landesgebietes
werden zu eben solchen eines andern entstehen, ohne daß
die Beziehungen der Rechtsstaaten darauf einen unmittel—
baren Einfluß haben. Und umgekehrt, die Verhältnisse
der Rechtsstaaten werden sich innerhalb gewisser Grenzen
in völliger Unabhängigkeit von den wirtschaftlichen Bezie—
hungen ausbilden. Durch diese Unabhängigkeit im Eunt—
st e h en der Beziehungen werden diese in Konfliktfällen
ausgleichend aufeinander wirken können. Interessenzu—
sammenhänge der einzelnen sozialen Organismen werden
sich ergeben, welche die Landesgrenzen als unbeträchtlich
für das Zusammenleben der Menschen erscheinen lassen
werden. — Die geistigen Organisationen der einzelnen
Landesgebiete werden zueinander in Beziehungen kreten
können, die n u x aus dem gemeinsamen Geistesleben der
Menschheit selbst sich ergeben. Das vom Staate unabhän—
gige, auf sich gestellle Geistesleben wird Verhältnisse dqus—
zilden, die dann unmöglich sind, wenn die Anerkennung
der geistigen Leistungen nicht von der Verwaltung eines
geistigen Organismus, sondern vom Rechtsstaate abhängt.
In dieser Beziehung herrscht auch kein Unterschied zwi—
chen den Leistungen der ganz offenbar internationalen
Wissenschaft und denjenigen anderer geistiger Gebiete. Ein
zeistiges Gebiet stellt ja auch die einem Volke eigene Spra—
he dar und alles, was sich in unmittelbarem Zusammen—
ange mit der Sprache ergibt. Das Volksbewußtsein selbst
zehört in dieses Gebiet. Die Menschen eines Sprachgebie—
es kommen mit denen eines andern nicht in unnatürliche
donflikte, wenn sie sich nicht zur Geltendmachung ihrer
Lolkskultur der staatlichen Organisation oder der wirt—
chaftlichen Gewalt bedienen wollen. (Aus: Kernpunkte
der sozialen Frage“, IV. Kap))
Dadurch werden Konflikte, die sich auf einem Lebens—
zebiete ergeben, ausgeglichen von einem andern aus. Zwei
Staaten oder Staatenbündnisse, die in einem wirtschaft—
ichen Konflikte sind, ziehen ihre geistigen und rechtlichen
Interessen in den Konflikt mit hinein, wenn sie Einheits—
taaten in dem Sinne sind, daß in ihren Verwaltungen
jeistige, rechtliche und wirtschaftliche Regelungen verbun—
en sind. Bei sozialen Organismen, die für jedes dieser
rei Lebensgebiete eine eigene Verwaltung haben, wird
zum Beispiele auf widerstreitende geistige Interessen die
virtschaftliche Interessenbeziehung ausgleichend wirken
önnen. (Aus: „Grundsätzliches zur Dreigliederung“, S.
39)
Volkszusammenhänge sind neben anderen naturge—
näßen Impulsen die Ursachen, durch die sich Rechts- und
Wirtschaftsgemeinsamkeiten geschichtlich gebildet haben.
Aber die Kräfte, durch welche die Volkstümer waächsen,
nüssen sich in einer Wechselwirkung entfalten, die nicht
zehemmt ist durch die Beziehungen, welche die Staatskör—
jer und Wirtschaftsgenossenschaften zueinander entwickeln.
das wird erreicht, wenn die Volksgemeinschaften die
nnere Dreigliederung ihrer sozialen Organismen so durch—
ühren, daß jedes der Glieder seine selbständigen Bezie—
ungen zu anderen sozialen Organismen entfalten kann.
Dadurch bilden sich vielgestaltige Zusammen—
sänge zwischen Völkern, Staaten und Wirtschaftskörpern,
die jeden Teil der Menschheit mit anderen Teilen so ver—
inden, daß der Eine in seinen eigenen Interessen das
Leben der Andern mitempfindet. (Aus: „Kernpunkte der
ozialen Frage“ IV. Kapp
Von der Volkswirtschaft zur Weltwirschaft.
EmilLeinhas
eine Volkswirtschafts-Wissenschaft, Volkswirtschaftslehre
oder Nationalökonomie. Freilich die Praktiker der Wirt—
chaft kümmerten sich wenig um diese Wissenschaft. Sie
Jandelten aus ihren wirtschaftlichen Instinkten. Die Volks—
virtschafts⸗Wissenschaft lief, im wesentlichen als eine be—
chreibende, wirtschaftliche Sachverhalte konstatierende
Wissenschaft, neben dem Leben her. „Nicht Einfluß-neh—
nen“ auf die Gestaltung der praktischen Wirktschaft galt
hr vielfach als ein leitendes Prinzip.
Haben wir nun heute eine Weltwirtschafts—
Wissenschaft, eine werdende Weltwirtschaftslehre? Eine
Wirtschaftslehre, die sich bewußt ist, daß Weltwirtschaft
twas anderes ist als Volkswirtschaft? Um eine Ant—
vort auf diese Frage zu erhalten, braucht man nur hin—
ublicken auf die wohl kaum zu bestreitende Tatsache, daß
n der nationalökonomischen Literatur der Gegenwart
aum irgendwo auch nur der Versuch gemacht wird,
den Boden volkswirtschaftlichen Denkens zu
erlassen, wenn von Weltwirtschaft die Rede ist. Als ein
ezeichnendes Beispiel hierfür kann hier vielleicht die Tat—
ache angeführt werden, daß in dem Schlußkapitel des
Noch vor wenigen Jahrzehnten pflegten sich praktische
Wirtschafter, neben ihren privatwirtschaftlichen Aufgaben,
nur selten für die Probleme der Volks wirtschaft zu
interessieren. Heute ist jeder, der im Wirtschaftsleben
irgend eine führende Stellung einnimmt, genötigt, sich
ernsthaft mit den Verhältnissen der Welt wirtschaft zu
beschäftigen. Dieser Tatbestand zeigt vielleicht eindring—
licher als lange theoretische Auseinandersetzungen es ver—
möchten, wie sehr in verhältnismäßig kurzer Zeit das
Wirtschaftsleben über die Erde hin ein anderes geworden
ist
Wir leben im Zeichen der Weltwirtschaft; zum min—
desten: werdender, werden-wolblender Weltwirtschaft.
Daß dieses Werden etwas naturhaft Gewaltiges, Groß—
artiges, Umwälzendes ist, fühlt jeder, der die wirtschaft—
lichen Ereignisse der letzten Jahre auch nur einigermaßen
überschauen kann; oder wer, auch ohne sie zu überschauen,
als Wirtschaftender in ihnen handeln muß oder von
ihnen be handelt wird.
Als wir eine Volkswirtschaft haften, hatten wir auch