Full text: Dem Reichsverband der deutschen Volkswirte (R. D. V.) zur Feier seines 25jährigen Bestehens zu Berlin im Februar 1927 gewidmet von der Friedrich List-Gesellschaft

Diese letzte Briefstelle ist, soweit wir sehen, das einzige Mal, daß 
List nur von „der“ Preisfrage spricht. Sie hat um so weniger Gewicht, 
als dieser Brief vom 4. Dez. 37 auf der Rückseite jenes Briefes vom 
22. Nov. 37 geschrieben ist, der am genauesten die Arbeit an den 
„zwei“ Preisfragen schildert. Wir sagten früher, es stehe nach all 
diesen Briefen fest, daß List und seine Tochter zusammen die Über- 
setzung der Preisaufgaben vorgenommen haben. Wenn wir uns an 
den genauen Wortlaut des Briefes vom 22. Nov. 37 halten und wenn 
es bei einem solch sorgfältigen Berichterstatter wıe List erlaubt ist 
aus seinem Schweigen Schlüsse zu ziehen, so muß darüber hinaus die 
Vermutung ausgesprochen werden, daß List und seine Tochter auch 
die ganze Arbeit des Abschreibens selbst geleistet haben. Wenn List 
in der von Sommer aufgefundenen Preisschrift von Fehlern „des 
Kopisten‘“ oder „der Kopisten‘“ spricht, so ist dies noch kein Gegen- 
grund; es besteht durchaus die Möglichkeit, daß „der Kopist‘“ Emilie, 
„die Kopisten“ List und Emilie sind. Auch hier kann Sicherheit nur 
lurch einen neuen Handschriftenvergleich gewonnen werden; drei 
photographische Aufnahmen von Manuskriptseiten, die sich im Be- 
3itz der Friedrich List-Gesellschaft befinden, wurden geprüft, erwie- 
sen sich jedoch als nicht ausreichende Grundlage der Urteilsbildung: 
Lists Schrift ist gerade in diesen Wochen auch in den Briefen über- 
aus wechselnd, sodann ist. seine offizielle, in Eingaben u. dgl. be- 
nutzte „Schön-Schrift‘“ von seiner üblichen, absichtslosen, sehr viel 
schöneren Schrift stark unterschieden, — es ist daher nicht ausge- 
schlossen, daß auch anscheinend verschiedene Schriftzüge des Manu- 
skripts dem gleichen Schreiber gehören, vielleicht die einen ın Er- 
müdungszustand, die anderen in größerer Ruhe geschrieben, Gewiß- 
heit kann nur neue Vergleichung des Originals geben. 
Nur neue Nachforschung in den Pariser Archiven kann schließlich 
auch die wichtige, von uns bisher zurückgestellte, nun noch zu be- 
handelnde Frage klären: welcher Grund Häusser bewogen haben mag, 
die Existenz der zweiten Preisschrift nur gelegentlich andeutend zu 
erwähnen, im Ganzen jedoch ihre Existenz zu verbergen — und wel- 
cher Grund vor allem List selbst ebenso wie seine Tochter be- 
stimmt hat, von der zweiten Preisarbeit später völlig zu schweigen, 
30 daß keine uns bekannte Stelle seiner Werke irgendeinen Hinweis 
auf sie enthält. Zunächst: Wie kam Häusser zu seinem Verfahren? 
Man könnte denken, daß er hier wie in vielen Punkten flüchtig ge- 
arbeitet hat und daß er über die Briefstellen gerade darum hinweg- 
zilte, weil List selbst in seinen Werken die zweite Schrift nicht mehr 
nennt. Aber es geht kaum an, flüchtige Arbeit anzunehmen, nachdem 
sich herausgestellt hat, daß Häusser nicht nur fast alle hier in Be- 
tracht kommenden Sätze unterdrückt, sondern auch die beiden wich- 
ügsten Angaben des Neujahrsbriefes verfälschend ändert, Bei einem 
Historiker von Häussers Bedeutung kann hier nicht mehr sträfliche 
Flüchtigkeit, sondern muß eine uns verborgene, bewußte Absicht an- 
genommen werden, — Oder hat etwa Häusser die Briefe gar nicht im 
Original gekannt? Diese Annahme erschien einen Augenblick lang 
nicht unwahrscheinlich, als sich in seinem Nachlaß, den die Heidel-
	        
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