Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

KIRCHLICHE BAUKUNST 
Unter den zahlreichen Kulturgütern der alten 
Monarchie hat unser kleiner Staat auch gewaltige 
Denkmale kirchlicher Baukunst übernommen. In der 
Kriegs- und ersten Nachkriegszeit konnten mangels 
verfügbarer Mittel kaum die allernotwendigsten Er- 
haltungsarbeiten an diesen zum Teil durch den Zahn 
der Zeit schadhaft gewordenen Objekten zur Durch- 
führung gelangen. Nur ganz allmählich und schritt- 
weise konnte da vorgegangen und anfangs nur dort 
geholfen werden, wo augenblickliche Gefahr für das 
Objekt bestand. 
Mit der zunehmenden Konsolidierung des jungen 
Staates wuchs aber rasch wieder die Wertschätzung 
alten heimischen Kulturgutes in der Allgemeinheit. 
Auch die aus dem zunehmenden Fremdenverkehr 
herauswachsende Erkenntnis, daß Kulturgüter auch 
wirtschaftlichen Wert für unseren Staat besitzen, ließ 
die Fürsorge für alte österreichische Kulturdenkmale 
immer mehr eine allgemeine Angelegenheit werden. 
Es ist eine schöne, reiche Arbeit, die da unter För- 
derung der Zentralstelle in den zehn Jahren des Be- 
standes der Republik geleistet wurde, 
Zunächst in Wien, wo kaum eine der bedeuten- 
deren Kirchen der Inneren Stadt in diesen Jahren 
nicht einer Restaurierung unterzogen worden wäre, 
zo vor allem das Wahrzeichen Wiens, der Stephans- 
dom, wo all die Jahre her, insbesondere am viel 
durchbrochenen und verästelten Maß- und Giebel- 
werk des gotischen Domes reiche FErhaltungs- und 
Erneuerungsarbeit geleistet wurde, und an der ältesten 
Kirche Wiens, der St. Rupprechts-Kirche, wo der 
romanische Turm in vorbildlicher Weise wiederher- 
gestellt wurde. Gleicherweise auch andere Kirchen: 
die spätgotische Kirche Maria am Gestade mit 
dem kuppelförmigen Maßwerkhelm, in dem schon das 
Renaissanceempfinden anklingt, und den nahegelegenen 
gotischen Kirchen, die Hallenkirche von St. Augustin 
und der frühgotische Bau der St. Michaels-Kirche 
mit einer klassizistischen Fassade und einem hoch- 
gotischen Glockenturm. Auch die bescheideneren 
Kirchen der Kapuziner und Franziskaner 
wurden gründlich restauriert. Nicht minder kommen 
erst jetzt die prächtigen Barockbauten Am Hof und 
zu St. Peter, wo das Helle des Verputzes sich vom 
Dunkel der verschiedenen Gesimse und Kapitele aus 
Haustein wirkungsvoll abhebt, wieder zur vollen Gel- 
tung, während der stolz-ernste frühbarocke Bau der 
Universitätskirche nun im neuen Gewande in der 
klassischen Geschlossenheit des Platzes seine bezau- 
bernde Wirkung auf jeden Beschauer ausübt. In den 
übrigen Bezirken Wiens wurden ebenfalls große In- 
standsetzungsarbeiten an den Kirchen durchgeführt. 
Auch in den Bundesländern geschah viel für 
die Erhaltung der hervorragendsten Bauwerke öster- 
reichischer kirchlicher Kunst. Bedeutend ist, was da 
in den letzten Jahren durch mehr oder weniger ein- 
greifende Restaurierungsarbeiten — hier seien nur die 
wertvollsten erwähnt — in seinem Bestande gesichert 
werden konnte, so in Niederösterreich die Pfarr- 
kirche zu Thenneberg, wo wertvolle spätbarocke 
öresken von Bergl vor dem Untergange bewahrt 
werden konnten, die Kirche in Weiten mit wert- 
vollen aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammenden 
nerrlichen Glasfenstern und nicht zuletzt am künst- 
'erisch bedeutsamen Wolfgangskirchlein in Kirchberg 
am Wechsel, an dem die gotische Kanzel aus der 
Japella Speciosa aus Klosterneuburg und ein schöner 
Barockaltar aus der Rosalienkapelle im Freihaus auf- 
zestellt wurden, und viele andere. 
In Oberösterreich wurde die ehemalige Stift- 
<irche in Waldhausen, eine der schönsten Kirchen im 
„ande ob der Enns, wiederhergestellt, die frühgotische 
2hemalige Zisterzienser-, jetzt Pfarrkirche in Baum- 
zartenberg mit wertvollem barocken Stuckdekor, in 
Salzburg sei der Herstellungen am 300Ojährigen 
Dom und am Prachtbau Fischer von KErlachs, der 
Kollegienkirche in der Stadt Salzburg, die im heurigen 
Jahre durch die Restaurierung der Außenfassade tat- 
;ächlich zu neuem Leben erstand, gedacht. 
In Kärnten sind besonders die künstlerisch hoch- 
bedeutsamen Restaurierungsarbeiten an den durch 
ihre selten schönen und reichen Fresken zu Klein- 
dien Kärntens gewordene Bauten, am Gurker 
Dom, an dem ausgedehnte Wandmalereien im 
"Langhaus und Querschiff aufgedeckt werden 
konnten, zum Teil äußerst wertvolle Arbeiten des 
13. Jahrhunderts, und der Pfarrkirche in Maria Saal 
mit einem schönen spätgotischen Netzgewölbe, in 
Jessen Feldern die gleichzeitigen figuralen Malereier 
5loßgelegt wurden, zu erwähnen. 
In Steiermark wurde die künstlerisch höchst wert” 
‚olle vollständige Instandsetzung des Mausoleums 
Ferdinands I. in Graz durchgeführt. Vom künst- 
erischen Standpunkt höchst interessant sind auch die 
Renovierungsarbeiten an der Magdalenenkirche in 
Judenburg mit wertvollen Glasmalereien aus der 
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die durch eine 
dedeutende Spende eines amerikanischen Kunst- 
treundes, des Generals M. Sherrill, nach einer sorg- 
iltigen Restaurierung wieder an ihrer alten Kult- 
;tätte eingebaut werden konnten. 
In Tirol sei an die zur Rettung der bekannten 
Zeiller’schen Fresken an der Pfarrkirche in Breiten“ 
wang vorgenommenen Restaurierungsarbeiten hin- 
gewiesen. Aber auch das jüngste Bundesland, das 
Burgenland, wurde im Rahmen dieser Aktion ge” 
‘“ördert und ist dort die schöne hochgotische Kirche iP 
MWMariasdorf als die wichtigste Herstellung hervorzuhe- 
zen. Alles in allem wahrhaftig — für einen armen Staat 
wie Oesterreich — ein gewaltiges Stück Kulturarbeit!
	        
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