rufen. Eine andere Frage ist die, ob die vielfachen Beziehungen, die
zwischen den Völkern, namentlich auf dem Gebiete des persönlichen
Verkehrs, des Güteraustauschs, der Wechselwirkung wissenschaft⸗
licher und technischer Leistungen angeknüpft werden, keine Bedeutung
für die Bildung einer engeren Gemeinschaft unter den Völkern be—
sitzen. Vor dem Kriege war nammentlich in Deutschland die Mei⸗
nung sehr verbreitet, nicht nur unter Arbeitern, sondern auch unter
Kaufleuten und Industriellen, unter Gelehrten und Angehörigen
dieler anderer Berufe, daß Gesellschaftsreisen, Kongresse, Austausch—
professoren und ähnliches geeignet sei, Gegensätze zu mildern und
die Völker auch auf politischem Gebiet zu einträchtigem Handeln zu⸗
sammenzuführen. Die Vertreter dieser Anschauung schlossen damit
bon dem Einzelinteresse auf das Gesamtinteresse, von dem einzelnen
Volksangehörigen auf das ganze Volk, von einer fachlichen Ein
stellung auf die politische Einstellung. Das ist eine verhängnisvolle
Verwechslung, der andere Völker nicht unterliegen. Sehr scharf
drückte sich über diesen Unterschied kürzlich der Präsident Mtillerand
in seiner Rede bei der Enthüllung des Denkmals für den franzö—
sischen Gelehrten Pastenr in Straßburg aus. Er zitierte da einen
Ausspruch Pasteurs, den dieser auf einem internationalen wissen⸗
schaftlichen Kongreß getan hat dahingehend, daß wohl die
Wissenschaft international sei, aber nicht der Wissenschaftler.
Für diesen gebe es nichts anderes als den Ruhm und die Größe
seines Vaterlandes, dem er auch mit seiner Wissenschaft zu
dienen habe.
Auch heute ist jene von mir für unrichtig gehaltene Auffassung
über die politische Bedeutung internationaler, insbesondere wirtschaft—
licher Beziehungen bei uns noch nicht geschwunden, weder bei Wissen—
schaftlern, noch bei führenden Praktikern des Wirtschaftslebens. Ich
finde sie z. B. in dem sonst sehr interessanten und guten Buche von
Mises: „Die Gemeinwirtschaft“. Mises behandelt in diesein Buche
u. a. die Bedeutung der Arbeitsteilung, er neunt die Arbeitsteilung
ein Naturgesetz, das mit Notwendigkeit dahin wirke, daß alle na—
tionalen Gegensätze überbrückt werden, weil seine Durchführung eben
diese Ueberbrückung erfordere. Der Trugschluß, der in dieser Hypo—
chese steckt, liegt auf der Hand: Ndises faßt die Arbeitsteilung als
ein Naturgesetz auf, während sie nur eine Form der Wirtschafts—