Full text: Grundfragen der Wirtschaft

Es⸗ ist das Verhängnis unseres Volkes gewesen, daß große und 
einflußreiche Schichter vor, während und nach dem Kriege die 
Bedeutung internationeler Beziehungen und Vereinigungen und 
Versprechungen in ihrer Wirkung auf unser politisches Leben 
falsch eingeschätzt und dadurch unseren Zusammenbruch, wenn auch 
unbewußt, wesentlich mit verschuldet haben. Das liegt daran, daß uns 
zefehlt hat die Zusammenfassung unseres vielseitigen Strebens unter 
dem einheitlichen Gesichtspunkte des nationalen Gedankens. Unser 
Volk besitzt Anlagen und Fähigkeiten auf allen Gebieten. Wir haben 
don Natur anstellige und fleißige Arbeiter, wir haben erfinderische 
Ingenieure und Chemiker, wir haben großzügige Unterunehmer, 
haben vorzügliche Verwaltungsbeamte, hervorragende Künstler uud 
Wisseuschaftler. Aber alle diese Berufe sind nicht zusammengefaßt von 
einer leitenden Idee. Wie aber der einzelne Nreusch seine Richtung, 
sein bestimmtes Ziel haben muß, dem er nachstrebt, so muß ein Volk 
von einer leitenden Idee beherrscht sein. Diese leitende Idee, die sowohl 
das geistige wie das wirtschaftliche Leben durchdringen muß, kann nur 
gerichtet sein auf die Größe und Macht des Volkes, des Staates, 
dem man augehört. Wir aber reißen das einheitliche nationale Leben 
auseinander und behandeln alle Gebiete für sich getrennt, als wenn 
sie gar nichts miteinander zu tun hätten. So treiben wir Geschichte, 
so treiben wir Literatur, so treiben wir Kunst, so treiben wir Wirt— 
schaft, so treiben wir Politik, so treiben wir auch Patriotismus! 
Wir tun uns viel darauf zugute, daß wir geschichtliche Gescheh— 
nisse bei anderen Völkern ebenso „objektiv“ lehren wie die des unsrigen, 
ohne zu bedenken, daß es eine objektive Geschichte ebensowenig gibt, 
wie einen objektiven Menschen, daß nur das Ziel-Streben eines 
Volkes der Geschichte Form und Inhalt verleiht. Wir nuterscheiden 
nenerdings sogar die Worte „national“ und „nationalistisch“, um 
unsere Unduldsamkeit zu bemänteln gegenüber jedem Ubersprudeln des 
Nationalgefühls, während man in jedem anderen Volke ein solches 
Ubersprudeln für selbstverständlich und erfreulich findet und in seiner 
Betätigung viel weiter geht als unsere extremsten „Nationalisten“. 
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