Full text: Grundfragen der Wirtschaft

Das Wort „Die Wirtschaft ist das Schicksal“ würde also be— 
deuten entweder: im Kampf der Völker entscheiden die wirtschaftlichen 
Mittel, oder: der Kampf der Völker dreht sich um die wirtschaftlichen 
Güter, mit anderen Worten: der Kampf der Völker ist ein Kampf 
um die besten Futterplätze. Das ist die materialistische Geschichtsauf⸗ 
fassung von Karl Marx. 
Zuzugeben ist, daß viele Kriege um wirtschaftlicher Vorteile wil— 
len geführt worden sind und geführt werden. Man braucht nur au den 
englischen Opiumkrieg, den spanisch-amerikanischen Krieg oder an 
die spanischen und portugiesischen Eroberungskriege in Amerika zu 
denken. Aber letzter Zweck auch dieser Kriege war doch die Vermeh— 
rung der politischen Macht. Wirtschaftliche Mittel erhöhen die 
Macht des Staates und sind in erheblichem Umfange die Voraus— 
setzung für sie. Aus diesem Grunde werden auch Kriege um wirt⸗ 
schaftlicher Ziele willen geführt. 
Aber wirtschaftliche Kräfte sind nur ein Teil der Kräfte eines 
Staates, wirtschaftliche Güter nur ein Teil seines Reichtuus. An⸗ 
dere, wichtigere Kräfte und Güter sind die körperlichen, moralischen 
und geistigen Eigenschaften seiner Bürger: körperliche Tüchtigkeit 
und Widerstandsfähigkeit, Mut und Ausdauer, politische und mili— 
rärische Befähigung, Geschicklichkeit und Intelligenz. 
Die geschichtlichen Tatsachen bestätigen auch durchaus nicht, daß 
wirtschaftliche Vorteile bei den Kriegen in erster Linie im Spiel ge⸗ 
wesen sind und daß wirtschaftlich starke Völker gesiegt haben. Ich 
erinnere an den Sieg der Germanen über die Römer, au unsere Be⸗ 
freiungs- und Einigungskriege von 1813/14, 1870/71 und unseren 
letzten großen Verteidigungskrieg 1914/18. Ich erinnere au den 
Kampf der Irländer, der Türken und Polen um ihre Selbständigkeit, 
sie alle hatten mit wirtschaftlichen Belaugen wenig oder nichts zu tun. 
Ehre und Ruhm sind ebenso reale Güter wie der wirtschaftliche 
Reichtum; der nationale Trieb, der aus ihnen hervorgeht, vermag 
sogar allein die Menschen zur höchsten geistigen Energie emporzu⸗ 
reißen. Verletzungen von Ehre und Ansehen, selbst nur vermeiutliche, 
führen daher oft zu Kriegen, eine Einbuße an ihnen gilt allen selbst— 
bewußten Völkern auf die Dauer als unerträglich und sie setzen lieber 
ihre materielle Existenz als jene Besitztümer auf das Spiel. Die all⸗ 
gemeine geschichtliche Erfahrung geht dahin, daß letzten Endes nur 
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