Full text: Grundfragen der Wirtschaft

2. die Zahl der Kräfte, die dem einzelnen Berufe angehören, muß 
der Lage der Volkswirtschaft angemessen sein. 
Von diesen Voraussetzungen aus erhalten die Worte „produktive“ 
und „unproduktive“ Tätigkeit erst ihren eigentlichen Sinn. Produktiv 
arbeitet nicht jeder, der für materielle Bedürfnisse tätig ist. Der 
Fabrikaut, der unbrauchbare Maschinen oder unnütze oder gar schäd⸗ 
liche Dinge herstellt, arbeitet nicht produktiv, auch nicht der Ange— 
stellte und Arbeiter, der einen unverhältnismäßigen Teil seiner Zeit 
zu anderen Dingen als zum Arbeiten verwendet, weiter nicht der 
Spekulant, der lediglich Waren oder Werte von einer Hand in die 
ander verschiebt, ohne damit volkswirtschaftlich zu nützen. Aber auch 
Beamte sind nicht produktiv, die schlechte Gesetze und Verordnungen 
machen und ihren Dienst vernachlässigen, oder Lehrer, die die Schüler 
nicht zu guten Staatsbürgern erziehen. 
Soviel über die erste Voraussetzung. Ebenso wichtig ist die zweite 
Voraussetzung. Die Zahl der Kräfte, die sich einem Berufszweig 
widmen, muß der Lage der Volkswirtschaft angemessen sein. Ein 
Volk, das mit Reichtümern gesegnet ist, darf eine größere Zahl von 
Personen besitzen, die höheren Kulturbedürfnissen dienen, kann auf die 
Verwaltung, die Rechtspflege, die soziale Fürsorge, die Bildung, die 
Künste und Wissenschaften mehr Kräfte verwenden, als ein armes 
Volk. Wir befinden uns in der Lage des armen Volkes und müssen 
daraus die Folgerungen ziehen — was freilich in der Wirklichkeit nicht 
geschieht. 
Ich will nun versuchen, in wenigen Strichen die schwierige Lage 
der deutschen Wirtschaft zu kennzeichnen. 
Schon vor dem Kriege reichten die Erzengnisse der eignen Scholle 
nicht aus, unsere Bevölkerung zu ernähren, zu bekleiden und zu be— 
hausen; wir mußten die uus fehlenden Nahrungsmittel und Rohstoffe 
bom Ausland kaufen. Die Gegenwerte schufen wir uns durch Herstel⸗ 
lung und Ausfuhr von möglichst hochwertigen Fertigerzeugnissen. Wir 
hatten eine Ausfuhr an Waren im Werte von 10,1 Milliarden 
Mark im Jahre 1913, eine Einfuhr imm Werte von 10,9 Milliar— 
den Mark. Von der Einfuhr kamen auf Rohstoffe, Nahrungs- und 
Genußmittel 858, von der Ausfuhr nur 3025. Es ist ersichtlich, 
daß wir einen starken Mehrbedarf an Waren hatten, daß unsere 
Ausfuhr vorzugsweise in Fertigerzeugnissen bestand, daß wir aber mit 
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