Full text: Rationalisierung als Kulturfaktor

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B. Betrachtungen 
Wirken ein lebendiges Werk entspringen, etwas Persönliches, etwas, 
das eine Seele hat? Ein mit der Maschine geschnitzter Stuhl ist 
etwas Grundverschiedenes von dem handgeschnitzten; die mit der 
Hand getriebene Kupfer⸗ oder Messingplatte ist durch keine maschinell 
gearbeitete zu vertreten, die mit der Hand bemalte Vase, die von 
Künstlerhand nachgearbeitete Bronze oder Büste werden immer 
ihren Sonderwert bewahren, weil sie Handarbeit enthalten.“ Ein⸗ 
stellung und Urteil beider Gelehrter sind weitgehend von ihren 
sozialen Uberzeugungen und Neigungen bestimmt: Während Waentig 
dem Sozialismus angehört, neigt Sombart dem romantischen 
Individualismus zu. 
Zwischen den Anhängern der „Einfühlung“ und den Freunden 
der „Abstraktion“, zwischen Individualisten und Kollektivisten, 
zwischen Funktionalisten und Rationalisten, zwischen den Befür⸗ 
wortern der Einzelform und den Enthusiasten für den Typus herrscht 
sonach vorerst noch ein ungeschlichteter Streit. Wird eine Versöhnung 
moͤglich sein? Die Antwort hierauf ist abhaͤngig von dem Maße, 
in welchem sich der eine wie der andere Teil bereit erweist zu einer prin⸗ 
zipiellen Anderung seiner Einstellung zu den letzten Dingen. Nur 
in einer neuen Ordnung, die auf den Menschen bezogen ist und 
nur auf ihn, in der Organisation, Technik und Kunst nicht mehr 
Selbstzwecke sind, sondern Ausdruck einer tieferen allgemeineren, 
humaneren Geistigkeit, wird Kunst und Zweck gleichgesetzt werden 
konnen. Denn in ihr dienen beide einem höheren Dritten: dem be⸗ 
seelten Menschentum. Die Rationalisierungsbewegung hat als Faktor 
des Wirtschaftslebens wie als Inhalt der geistigen Kultur unserer 
Zeit dieser neuen Ordnung die Wege bereits geebnet. Sie hat die 
Wirtschaft und ihre Formen vereinfacht und damit überschaubarer 
gemacht, leitbarer, lenkbarer vom einzelnen Menschen aus. Sie hat die 
verwirrende Vielzahl der Dinge vermindert und ihre Anpassung an den 
Menschen erleichtert. Sie hat die Einsicht in die Zusammenhaänge, denen 
der einzelne zugehoͤrt, gesteigert und hier durch die Geltung des leben⸗
	        
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