Da die Wuhaner Regierung durch die Massenbewegung zur Macht
gelangt war, mußte es, wenn auch nur anfänglich, eine andere Politik
als Tschangkaischek einschlagen. Die Wuhaner Regierung hatte aber
auch bei jenen Teilen der nationalen mittleren Bourgeoisie und haupt-
sächlich des Kleinbürgertums Unterstützung gefunden, die die Rettung
in der Revolution sahen, und deren Interesse sie vertrat. Das Wachs-
tum der Arbeiter- und Bauernbewegung schreckte jedoch die linke
Kuomintang, die schon nach wenigen Monaten, obwohl sie in Worten
Nanking und besonders Tschangkaischek nach wie vor bekämpfte, tat-
sächlich sich Tschangkaischek näherte, Während der ganzen Periode,
in der Wuhan als Zentrum der linken Kuomintang bestand, vom April
bis Juni 1927, wurden ständig Versuche unternommen, die feindlichen
Brüder zu versöhnen. Zwischen Nanking und Wuhan verkehrten
dauernd jeder Art Ratgeber, die hinter geschlossenen Türen über die
Wiederherstellung der Einheit der Kuomintang auf Kosten der Arbeiter-
und Bauernbewegung verhandelten, In Wuhan wußte jeder, daß die
Mitglieder des Politbüros der Kuomintang Sunfo, Hominju, Tanjenkai
und Sutsen im Wachen und Schlafen nur den einen Gedanken hegten,
mit der wachsenden Arbeiter- und Bauernbewegung Schluß zu machen.
Auf dem Bankett, das die nationale Regierung und das Zentralkomitee
der Kuomintang «der Delegation des Zentralrates der Gewerkschaften
der Sowjetunion gab (Ende Mai) begegnete ich der leitenden Gruppe
der linken Kuomintang, darunter Tanjenkai und dem früheren Rektor
der Pekinger Universität, dem Freunde des Justizministers Sutsen, der
seinerzeit zusammen mit Fengjuhsiang die USSR besucht hatte. Trotz
der sprichwörtlichen chinesischen Höflichkeit konnte man deutlich
sehen, wie sich beide uns gegenüber feindselig verhielten, Später stellte
sich heraus, daß die gesamte Spitze der Kuomintang uns gegenüber
wegen unseres ungeschminkten Urteils über die Konterrevolution, die
gleichen Gefühle hegte. Ich persönlich konnte beobachten, wie die
Konterrevolution ideologisch und politisch vorbereitet wurde, wie die
linke Kuomintang immer rascher in das Lager der Konterrevolution
abglitt.
© Wie erfolgte die ideologische und politische Vorbereitung der
Konterrevolution? Am 13. Mai langten wir in Wuhan an. Die Atmo-
sphäre war sozusagen noch von der Diskussion in den leitenden Kreisen
der Kuomintang geladen: „Erweiterung oder Vertiefung der Revolu-
tion.“ Von unserem Standpunkt bestand da kein Gegensatz, von
unserem Standpunkt mußte man das eine und das andere tun, er-
weitern und vertiefen. Für die Kuomintang dagegen lagen die Dinge
anders, Die Erweiterung der Revolution bedeutete die Entfernung von
den Arbeiterzentren, den Vormarsch in die agrarischen Gebiete im
Innern China, von Schanghai mit seinem anspruchsvollen Proletariat,
den Vormarsch nach Peking, die Umgehung der Bauernfrage und der
aktuellen Fragen der. Arbeiterbewegung, Die Vertiefung der Revolu-
tion bedeutete die Lösung der Bauernfrage, die Befriedigung der Forde-
rungen, wenn auch nur zum Teil, usw. Die Diskussion hatte sogar die
Leitung der Kommunistischen Partei angesteckt. Auch dort disku-
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