Full text: Das Hotel- und Gastgewerbe

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DAS HOTEL- UND GASTGEWERBE 
bei dieser Metamorphose mitgeholfen und schäme mich dessen nicht. Im 
Gegenteil. Ich bin stolz auf diese Frucht meiner geistigen Arbeit.“ 
„An ihren Früchten sollt ihr ihn erkennen“, zitierte ich lächelnd. 
„Eigentlich sollte ich dir zürnen, daß du mir meinen freundlichen Gast- 
hof so verschandelt hast.“ 
„Verschandelt? Du wirst anders reden, wenn du ein Wissender 
geworden sein wirst. Die schönen, behaglichen und doch so vornehmen 
Zimmer des heutigen Badhotels „Badischer Hof‘ werden dir schon 
gefallen, mein guter Junge. Wenn du nur den vernickelten Hahn zu 
drehen brauchst und kaltes oder heißes Wasser läuft dir, ganz nach 
Wunsch, über die Hände, so wirst du dich nicht nach den kahlen Mönchs- 
zellen zurücksehnen. Wenn du dir gar in deinem eigenen Badezimmer 
ein radioaktives, alkalisches Kochsalzthermenbad selbst bereiten und es 
direkt vom weichen Bett aus, nicht in der härenen Kutte, erreichen 
kannst; wenn du nicht erst, wie im goldenen Jugendiraum, mit dem 
Sechserzug ins Friedrichsbad fahren mußt, so wirst du kein Verlangen 
mehr nach deinen Kapuzinermönchlein haben.“ 
„Aber die wundervolle Halle? Dieses Glanzstück der alten Abtei! Was 
habt ihr daraus gemacht?‘ fragte ich leise und zögernd. Noch konnte 
ich mich an den mir fremden Gedanken nicht gewöhnen, daß die ehr- 
würdige Kapuzinerabtei, die allerdings schon zu Anfang des 19. Jahr. 
hunderts in einen gediegenen bürgerlichen Gasthof umgewandelt worden 
war, nun gar zum Range eines jener modernen Hotels emporgestiegen sei, 
aus denen man nicht wieder hinaus möchte, wenn man sich erst hinter 
ihre Mauern verirrt hat. Trotz meiner Romantikerseele hause ich doch 
lieber in einem Palasthotel des Jahres 1927 als in einem noch so 
arinnerungsreichen Kloster des 18. Jahrhunderts, 
Freund Lothar schmunzelte und griff in seine Brusttasche. Wir hockten 
noch immer auf meinem Bett und hatten das Ausziehen und Schlafen 
vergessen. Er gab mir einige Lichtbilder: „Das haben wir aus der Fassade 
deines ehrwürdigen Klosters gemacht. So sieht jetzt das alte Treppen- 
haus mit seinen Galerien aus, wo einst die frommen Paters wandelten. 
Und in diesem stimmungsvollen Raum würden sich wohl auch die 
frommen Klosterbrüder behaglich gefühlt haben. Bist ‘du es zufrieden 
oder bekomme ich einen Tadel ins Lobbuch?“ 
Entzückt betrachtete ich die Photos, vor allem das Bild, aus dem 
mir meine geliebte Halle entgegenblickte, als habe sich nichts an ihr 
geändert. Oder doch? Sie war noch . schöner, noch romantischer 
geworden. „Ich bin zufrieden. Du bekommst ein Lob ins Tadelbuch. 
Dazu schreibe ich dann noch, wie wir dummen Jungen es bei den ver- 
gessenen Stammbüchern unserer Kameraden und der süßen kleinen 
Freundinnen taten: Im ‚Badischen Hof‘ zu Baden-Baden hast du dein 
Meisterstück gemacht. Dafür habe ich dich lieb. Auf die letzte Seite 
schreibe ich: Wer dich noch lieber hat als ich, der schreibe sich noch 
hinter mich.‘ 
Lothar wurde ernst. „Es ist seltsam, wie wir uns fanden und köstlich, 
daß wir uns noch immer gut sind. Wie einst als Kinder.‘“ Hastig fuhr 
er sich durchs graue Haar: „Nun wollen wir schlafen gehen. Aber vorher 
wollen wir uns, oder richtiger, will ich dir ein Versprechen geben: Wenn
	        
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