Full text: Das Hotel- und Gastgewerbe

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DAS HOTEL- UND GASTGEWERBE 
mensch ausgerechnet auch noch aus dem Hotel Jupiters kommen, den die 
Alten bekanntlich Jupiter tonans, den Donnerer, nannten. 
„Unser Hotel liegt dem Bahnhof gegenüber, und zwar da, wo die Güter- 
wagen entleert werden. Aber das wird dem Herrn Kurdirektor ja bekannt 
sein?‘ Der Kurdirektor nickte zustimmend. Aus welchen inneren Beweg- 
gründen hätte er Jupiter tonans durch Widerspruch reizen sollen? „Fast 
täglich werden dort in den Nachmittagsstunden die Schweine in einer 
Weise ausgeladen, die nicht mehr menschlich ist.“ 
Meyer holte Atem und der Kurdirektor von Winkelhausen stutzte. 
Meyer sprach in einem Atemzug ganz deutlich von Schweinen und doch 
wieder von Menschen oder wenigstens von Menschlichem. Sollte es zufällig 
jener Meyer aus Berlin sein, in dessen Kopf die bekannte Schraube locker 
geworden ist? Der Kurdirektor griff spielend nach seiner Papierschere, 
um wenigstens eine Waffe zur Hand zu haben. Schon fuhr Meyer fort: 
„Die Tiere (— aha, also doch Schweine —) werden mit einer Roheit 
aus den hochstehenden Wagen, eine Rampe oder dergleichen fehlt näm- 
lich, herausgeworfen, daß es empörend ist. Die Tiere überschlagen sich 
oft mehrere Male in der Luft und schreien furchtbar. Wir können es 
gar nicht mehr hören.“ Nanu, dachte der Kurdirektor, ihr könnt es nicht 
mehr hören und hört es doch? „Wir bitten Sie dringend, Herr Kur- 
direktor, dafür zu sorgen, daß hier schnellstens für Abhilfe gesorgt wird.“ 
„Gern“, log der also Gebetene sanft und ergeben. „Im allgemeinen 
erstreckt sich das Gebiet meiner Fürsorgetätigkeit, wenn ich so sagen 
darf, mehr auf die Menschen und ihr Behagen, und es ist vielleicht etwas 
ungewöhnlich, daß ausgerechnet der Kurdirektor sich darum kümmern 
soll, daß die Schweine sozusagen menschenwürdig in ein besseres Jen- 
seits befördert werden. Aber ich begreife vollkommen, daß Ihnen der 
Nachmittagskaffee mit Kuchen beim besten Willen nicht schmecken 
kann, wenn jeder Schluck und jeder Bissen von den zum Himmel dringen- 
den Klagen der Schweine begleitet ist. Ich werde mich mit jenem Bahn- 
hofsbeamten in seelische Verbindung setzen, der diese Schweinerei unter 
sich hat, und ich hoffe, daß es unseren vereinten Anstrengungen ge- 
lingen wird, Ihre und die Zufriedenheit der unglücklichen Schweine zu 
erlangen. Verlassen Sie sich darauf, die Tiere sollen nicht länger von 
Gott und den Menschen verlassen sein.“ 
Meyer aus Berlin sah den Kurdirektor von der Seite an, als wollte er 
fragen: Frozzelst du mich etwa? Aber dessen Gesicht war So ernst, so 
ganz Chopinscher Trauermarsch wie Meyers Gesicht bei seinem Eintritt, 
daß er an seinen besten Absichten nicht länger zu zweifeln wagte. Meyer 
erhob sich und schüttelte ihm die Hand so kräftig, daß der Kurdirektor 
im ersten Impuls beschwerdeführend zum Kurdirektor laufen wollte. 
Aber er entsann. sich noch rechtzeitig, daß er ja selbst der Kurdirektor 
War. 
„Ich danke Ihnen, auch zugleich im Namen meiner  Auftraggeber“‘, 
sprach Meyer aus Berlin mit Würde, und auf seinem Gesicht lag nur 
noch leise Wehmut. So hatte des Kurdirektors übermenschliche, fast 
steinerne Ruhe -— beinahe hätte ich schweinerne geschrieben — ihn 
beruhigt. Dann ging er. Ein verirrter Sonnenstrahl huschte über sein
	        
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