AUSNÜTZUNG DER GELEGENHEITEN 293
ist wohl nicht ganz uninteressant, wenn ich eine solche Skizze
als Beispiel hierher setze. In der „Züricher Volkszeitung“ fand
ich sie. Mit besonderem Behagen gebe ich einen Teil des
Artikels wieder, denn es ist ein hübscher Zug, daß die demo-
kratische Zeitung eines demokratischen Staates, der seit Jahr-
hunderten keine Fürsten, Orden und dergleichen kennt, und
der wohl die freiheitlichste Verfassung in Europa haben dürfte,
SO nett von allerhand Fürstlichkeiten plaudert:
„Das Hotel war jahrzehntelang das beliebteste Absteigequartier und
Aufenthaltsort europäischer Fürstenhäuser. So wohnte schon 1852 unter
dem Namen eines Grafen von Tulgarn der König von Schweden mit
Familie und Gefolge im Hotel. Vier Jahre später traf die Herzogin von
Orleans ein. 1859 traten die Vertreter der europäischen Mächte zur
Friedenskonferenz im Hause zusammen und unterzeichneten im Haupt
Salon, dem heutigen Salon 26, am 10. November den ‚Frieden von
Zürich‘. Noch im gleichen Jahre traf die Herzogin von Parma mit Ge-
folge ein. Besonders lebhaft für das Hotel gestaltete sich der Sommer
1860; der König von Bayern mit Gefolge löste die Kaiserin von Rußland
mit zwei Prinzessinnen und einer Hofsuite von 60 Personen ab. Auch das
Österreichische Herrscherhaus hat sich im Hotel wiederholt eingefunden,
So 1894 die Kaiserin Elisabeth von Österreich anläßlich ihrer Reise nach
dem Süden. In den folgenden Jahren verweilten unter dem gastlichen
Dach der Herzog von Meiningen mit Gefolge, der ägyptische Khedive,
die Gemahlin des Prinzen von Wales. usf.“
Es sei noch an ein anderes Memoirenwerk erinnert. Ende
1924 erschien von Rudolf Sendig, der zurzeit wohl der Nestor
der deutschen Hotelfachleute von internationalem Ruf sein
dürfte, der zweite Band seiner Geschichten: „Im Hotel.
Diskrete Indiskretionen.‘“ In diesen liebenswürdigen Plaudereien
Macht der alte und doch jung gebliebene Goethe-Verehrer
Rudolf Sendig für seine eigenen Schöpfungen in Bad Schandau
eine so eindringliche und zugkräftige Propaganda — ohne daß
die meisten Leser es merkten — wie ich sie mir wirkungsvoller
Nicht denken kann. Der erfahrene, mit allen Hunden gehetzte
Propagandist und Reklamefachmann würde es nicht besser
Machen können.
Nun, ich kenne gar manche Hotelfachmänner, Leiter oder
Besitzer großer Betriebe, die das Zeug dazu hätten, für ihr
Haus zum wirkungsvollen Propagandisten zu werden, indem
Sie Interessantes aus seiner Geschichte ausplaudern.