DIE KÖRPERLICHE ERZIEHUNG UND DEREN FÖRDERUNG
DURCH DEN STAAT
Im Zuge der allgemeinen Reform des österreichischen
Schulwesens innerhalb der vergangenen zehn Jahre
konnte sich auch die körperliche Erziehung Raum und
Geltung verschaffen, im steten
Ausgleich mit den anderen For-
derungen, die durch die Schul-
erneuerung zu erfüllen waren.
Bei der Volksschule be-
durfte es besonderer Anstren-
Zung, da zwar der obligate Turn-
unterricht schon durch das:
Reichsvolksschulgesetz einge-
führt, aber nur ganz unzulänglich
durchgeführt worden war. Von
einem regelmäßigen Turnunter-
richt konnte nur in den höher
organisierten Schulen der Städte
und Märkte gesprochen werden,
Während man sich in den ein-
klassigen Schulen der Landorte
mit gelegentlichen Turnübungen
begnügte, die zudem sachlich
wenig bedeuteten. Solange das
Schulturnen stark auf das Saal-
turnen an Geräten und Frei-
und Ordnungsübungen militä-
Tischen Finschlags gestellt war, konnte der Mangel an
Entsprechenden Furnräumen und Geräten das Ausfallen
der Turnstunden erklären. Das neuere österreichische
Volksschulturnen trägt den Bedürfnissen der schlichtesten
Landschule ebensogut Rechnung wie denen einer Stadt-
Schule; es setzt einen: eingerichteten Turnsaal nicht
unbedingt voraus und kann von jedem Lehrer unterrich-
tet werden, auch wenn er selber keine turnerische Sonder-
ausbildung genossen hat. Die österreichische Turnweise
ist auf dem Grundsatze der Haltungserziehung aufgebaut.
Um die Lehrer in diese neuen Methoden einzuführen,
wurde ein ganzes Netz von Turnfortbildungs-
Winterheim des Bundesministeriums für Unterricht in St. Christoph am Arlberg
kursen über Österreich gelegt. Bisher sind gegen
12.000 Lehrer und Lehrerinnen der Volksschulen durch
Turnfortbildungskurse gegangen. Gleichzeitig wurde auch
der Turnunterricht an den Lehrerbildungsanstalten er-
weitert und reformiert, überall bildeten sich ständige
Arbeitsgemeinschaften der Lehr r für körperliche Erzie-
nung. Das Turnen an den Volksschulen hat dadurch
einen großen Aufschwung genommen. In vielen Orten
sind für die Schulen Turnsäle und Spielplätze gebaut
worden. Einrichtungen wurden beschafft, Spielfeste ganzer
Bezirke legen Zeugnis von den Fortschritten und dem
zesteigerten Verständnis der Lehrer, der Eltern und der
Öffentlichkeit ab. Den allgemeinen Schulturnkursen folgten
Kurse für besondere Gebiete, so für den Shilauf, das Schwim-
men, das Rasenspiel, das Wandern. In jedem Lande hat
ein Turnberater die Aufgabe, die Schulbehörden und
die Schulen in körpererziehlichen Angelegenheiten zu
veraten, Turntage abzuhalten und die ganze Weiter-
arbeit zu überwachen. Diese Einrichtung bewährt sich
sehr gut. Während an der Volksschule der Klassenlehrer
zugleich den Turnunterricht erteilt, sind an den Haupt-
schulen (Bürgerschulen) eigene Fachlehrer auch für das
Turnen tätig. Für diese wurde eine neue Prüfungsordnung
ausgearbeitet, deren Auswirkung erst im Gange ist.
Die Mittelschulen hatten seit jeher eigene Fach-
‚ehrer für den Turnunterricht. Hier bestanden daher
auch wesentlich günstigere Verhältnisse, die aber doch
vielfacher Verbesserung bedurften. Die einschneidendsten
Neuerungen waren die Einführung eines verbindlichen
Freiluftnachmittages an Stelle der beiden bisher beste-
‘enden unverbindlichen und die Anordnung der fünf
‚erbindlichen Wandertage. Die Freiluftübungen gehören
Spielfest der österr. Mittelschulen in Wien, 1924. Bundespräsident
Dr. Hainisch beglücdkwünscht die Sieger im Fechten