Wirtschaftsgeschichte der deutschen Kolonien
dritter Abschnitt.
Die Schutzgebiete im Weltkriege
Gleich zu Kriegsbeginn hatte die Reichsregie—
rung den feindlichen Mächten den Artikel 11 der
Kongoakte in Erinnerung gebracht: „Falls eine
Macht, welche Souveränitäts- oder Protektorats-
rechte in den dem Freihandelssystem unterstellten
Ländern ausübt, in einen Krieg verwickelt werden
sollte, verpflichten sich die hohen Teile, welche die
gegenwärtige Akte unterzeichnen, sowie diejenigen,
welche ihr in der Folge beitreten, ihr gute Dienste
zu leisten, damit die dieser Macht gehörigen und
in der konventionellen Freihandelszone einbe—⸗
griffenen Gebiete, im gemeinsamen Einverständnis
dieser Macht und der anderen kriegführenden Teile
für die Dauer des Krieges den Gesetzen der Neu—
tralität unterstellt und so betrachtet werden, als
ob sie einem nichtkriegführenden Staate angehören.“
Zu diesem konventionellen Kongobecken gehört ganz
Deutsch-⸗Ostafrika und ein großer Teil von Kamerun
Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß
dem Geiste nach alle tropischen oder überhaupt
alle der Mehrzahl nach von Eingeborenen be—
wohnten Kolonien in Afrika und sinngemäß auch
der Südsee dazu gehörten. Belgien bemühte sich
im Sinne des deutschen Vorschlages bei England,
und auch Frankreich erklärte sich noch am 9. August
1914 nicht abgeneigt, änderte aber, da England
keine Antwort gab, am 16. August seine Stellung—
nahme. Am Tage darauf erklärte England, daß
bereits Kriegszustand herrsche, da die Deutschen
am Nyassa auf englischem Gebiet angegriffen,
und die Engländer Daressalam beschossen hätten.
Es wurde verschwiegen, daß die ersten feindlichen
Akte am 7. August in der Gefangennahme eines
deutschen Parlamentärs durch die Belgier am
kongostaatlichen Ufer des Nyassa und im Ein—
marsch in Togo durch Engländer und Franzosen,
am 8. August in der Beschießung des Daressalamer
Funkenturms durch die britischen Kreuzer, Pegasus“
und „Astraea“ und am 19. August in der Weg⸗
nahme des deutschen Dampfers „Hermann von
Wißmann“ auf dem Nyassa, als er friedlich in
deutschem Gebiet auf dem Slip lag, bestanden
hatten. Erst am 15. August besetzte die ost⸗
afrikanische Schutztruppe den britischen Ort Taveta
in dem einspringenden Winkel am Kilimandjaro
und erst am 9. September fand der deutsche Angriff
auf Karonga im britischen Nyassagebiet statt.
Außerdem konnte natürlich in jeder Phase des
begonnenen Kampfes bei ernstlichem Willen noch
ein Waffenstillstand und eine Neutralerklärung der
Schutzgebiete eintreten. Aber es fehlte der Wille.
Noch am 23. August wurde eine bei den Ver—
einigten Staaten durch Deutschland nachgesuchte
Vermittlung abgelehnt aus dem formalen Grunde,
daß die Vereinigten Staaten nicht Vertragspartei
seien, weil sie zwar die Kongoakte mit beschlossen,
aber nicht ratifiziert hätten.
So nahm das Unglück seinen Lauf. Schon
am 7. August war die Grenze Togos von den
Feinden überschritten und am Tage darauf die
daupistadt Lome besetzt worden, obwohl der
Bouverneur auch hier Neutralität auf Grund
der Kongoakte anbot. Am 12. August wurden
die Funkstation Yap auf den Ostkarolinen und
ie Postanstalten in Neu-Guinea zerstört. Am
4. und 15. Angust beschossen britüche Truppen
zie deutschen Zollwächter am Croßfluß, der Nord⸗
zrenze Kameruns, am 23. erfolgte der erste An—
griff in Neukamerun, das zum konventionellen
dongobecken gehörte. Am 29. wurde von der
uustralischen Flotte Samoa, am 11. September
stdabaul und Herbertshöhe, die Hauptstädte von
deu⸗Guinea, besetzt, am 29. von den Japanern
ie Marschallinseln. Diese Nation hatte am
9. August in einem Ultimatum, dessen Ton eine
Zeantwortung ausschloß, die Übergabe Kiautschous
jerlangt und es nach zehnwöchiger Beschießung
im 7. November zur Übergabe gezwungen. Am
4. September war der deutsche Polizeiposten
Ramansdrift am Oranjefluß von Truppen der
üdafrikanischen Union besetzt worden.
Wenn wir das Hineintrogen des Krieges in
zie Kolonialgebiete ein Unglück nannten, so wird
die Zukunft zeigen, wie berechtigt das ist. Die
herrschaft Europas über die tropischen Rohstoff⸗
gebiete beruht auf der Solidarität der weißen
asse, auf dem Prestige der Farbe. Dieses
stasseprestige hat der Krieg zerstört. Und einmal
erstört, ist es nicht wieder herstellbar. Im Ver⸗
auf des Krieges ist dann gar eine halbe Million
Farbiger auf den europäischen Kriegsschauplatz
gebracht und zum Abschlachten Weißer ausgebildet
vorden. Tie Folge war jedem, der die Ver—⸗
jältnisse kennt, klar. Und so, wie man voraus—
ehen mußte, ist es gekommen. Der Rassenkampf
st im Werden. Nichts werden die Kolonial—
nächte so bitter zu bereuen haben als ihren
Rassenverrat im Weltkriege: England, daß es den
drieg in die Kolonien trug, Frankreich, daß es
eine farbige Soldateska nach dem Rhein brachte,
vo es sie zu Herren über eine weiße Herren—
iation machte und duldete oder nicht verhindern
onnte, daß sie sich an weißen Frauen vergiug.
Der Krieg nahm überall nach heldenhafter
Begenwehr den Ausgang, der unvermeidlich ist,
venn ein Land blockiert ist und den Feinden
merschöpflicher Nachschub an Waffen, Munition,
Menschen und wertvollsten Kriegswerkzeugen zur
Verfügung steht: In Südwestafrika mußten die
etzten 3370 Mann am 6. Juli 1916 unter
hrenvollen Bedingungen kapitulieren. Der Feind
var zeitweilig 60000 Mann ssttark gewesen, wir
rie ssärker als 5500 Mann, worunter 1967 Be—
ufssoldaten: Schutztruppe und Polizisten. In