169
atwa durch Erwerb von Kleinaktien, werden. Der Nationale Verband
jer Gewerkschaften empfahl (1920) ebenfalls die Arbeiteraktie und
schlug vor, um das Argument, die Aktie verstöße gegen die Frei-
zügigkeit, zu entkräften, Aktien einer ganzen Betriebsgruppe aus-
zugeben; aber es genügt, wenn der Arbeiter das Verkaufsrecht,
gegebenenfalls mit Voranbot an die Gesellschaft, hat; außerdem
würde dann nicht das so wertvolle Interesse des Arbeiters an
seinem Betriebe geweckt. Die christlichen Gewerkschaften und die
deutschen Gewerkschaften sind (1921) rückhaltlos für die Arbeiter-
aktie eingetreten; es wurde auch die günstige Wirkung vom Stand-
punkte der Kapitalsbildung betont und empfohlen, die Aktien auf
Namen auszustellen, um ihren Aufkauf durch die Großaktionäre zu
verhindern. Auch die deutschdemokratische Partei, bzw. Abgeordneter
Erkelenz befürwortete (1921) warm die Beteiligung. Man brauche
ein modernes Rechten- und Pflichtenverhältnis; die heutigen Besitz-
verhältnisse seien nichts Unabänderliches; die Arbeiter sollen im
Betriebe nicht bloß mitreden, sondern auch Miteigentümer werden.
Dr. Silverberg verwies (1922) zunächst auf den großen Geldbedarf
der Produktion; viele frühere Kapitalsbesitzer seien nicht mehr da
oder ihr Besitz sei stark entwertet, dagegen hätte sich das Ein-
kommen aus der Arbeit verbreitert, daher sollten diese Kreise mehr
als bisher zur Bildung von Kapital und zur Beteiligung an Unter-
nehmungen herangezogen werden. Die Kleinaktie müsse aber jeden
Charakter einer Fürsorge- oder Sparaktion wie in der früheren Zeit
vermeiden. Das Handelsgesetz biete schon jetzt die Möglichkeit der
Ausgabe von Kleinaktien, in welchem Sinne sich auch der Deutsche
Juristentag (1921) aussprach. Die Betriebsräte allein seien nicht
genügend, ja sie könnten nachteilig für den Betrieb wirken, wenn
die Arbeiter nicht auch durch Kapital am Unternehmen beteiligt,
A. h. daran auch materiell interessiert sind.
Die Wirtschaft in Europa wird in der Tat kaum eine andere
Wahl haben als zwischen dem Prinzip des sowjetistischen Ruß-
ands, dem Faszismus Italiens (der aber mit seinem Zwangscharakter
auch nicht zusagt, in socialibus übrigens — vgl. die carta di lavoro
vom 21. April 1927 — nicht Neues bringt) und der friedlichen
Sozialisierung nach entsprechend adaptiertem amerikanischem
Muster; auch die europäischen Arbeitervertreter sollten sich nicht
änger, kurzsichtig oder aus Dogmatismus, dieser Erkenntnis ver-
schließen.