Full text: Sittlichkeit in Ziffern?

A del 
Erster Teil. 
sich. Menschliches Handeln entwickelt sich auch im Einzelfall 
aus mehr als bloß einer Ursache heraus, und die Analyse dieser 
Ursachenreihen, die ja beim Historiker und Monographen 
Gegenstand wissenschaftlichen Forschens sein müssen, ergibt, 
daß die zu einer Handlung führenden Motivreihen häufig nicht 
nur ihrerseits auf das äußerste differenziert sind, sondern auch 
Gutes und Schlechtes als Beweggründe in ein und demselben 
Rutenbündel zusammenfassen. So stößt die Ursachenstatistik 
aus wesentlichen Gründen auf ein schier unüberwindliches non 
possumus: die Unmöglichkeit einwandfreier Eruierung. Über 
den Ursachen der Selbstmorde, der Brände, der Konkurse liegt 
zumeist undurchdringliches oder doch selbst im besten Falle 
nur mit größter Mühewaltung und fachwissenschaftlicher, z. B. 
untersuchungsrichterlicher Kompetenz, und auch dann bloß nur 
mit mehr oder weniger Sicherheit zu durchdringendes Geheim- 
nis. Den Ergebnissen der entsprechenden Statistiken müßte in- 
folgedessen eine Art Etikette, wie sie bei gewissen Medizin- 
flaschen angebracht wird, beigefügt werden: Nicht schütteln 
und nur mit Vorsicht zu gebrauchen! Denn darüber kann kein 
Zweifel obwalten, die Mehrzahl der Antworten auf die Frage 
nach den Ursachen der angegebenen Erscheinungen dürfte auf 
die Kategorien Unbekannt und Unbestimmt entfallen. 
Über diesen Sachverhalt sind sich selbst die Juristen klar. 
Schon Inama-Sternegg hat hervorgehoben, daß z. B. die 
Kriminalstatistik fast nie bis zu einer statistischen Behandlung 
der Motive hat vordringen können, obwohl gerade hier bei den 
einzelnen prozessualen Verhandlungen bis zu einem gewissen 
Grade eine Ermittlung stattfindet. Wir erfahren dann etwa, daß 
Armut. das Hauptmotiv bei Diebstahl, Gewinnsucht bei Betrug 
und Fälschung, Zorn bei Körperverletzungen usw. bilden, d. h. 
„wir gelangen zu ganz selbstverständlichen, banalen Resultaten, 
wozu doch gar keine Statistik nötig wäre‘ 17. Noch schlimmer 
17 Inama-Sternegg, Neue Probleme, Ss. 308.
	        
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