Full text: Sittlichkeit in Ziffern?

Brautkinder. 
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Kategorie ganz besonders auch die nach dem sogenannten Hand- 
schlag erzeugten Kinder einzureihen, d. h. Kinder, die nach vor- 
hergegangenem, aber germanischer Auffassung, derzufolge der 
Eheschluß nicht eine staatliche, sondern höchstens eine kirch- 
liche, aber zunächst nur eine Familienangelegenheit sei, ent- 
sprechendem, feierlich abgelegtem Gelübde erzeugt worden 
sind®. Die unter moralischen Gesichtspunkten eigenartige Stel- 
lung der Brautkinder wird zumal vom englischen Gesetz an- 
erkannt. Die Einrichtung des breach of promise bietet der 
unehelichen Mutter sowohl in pekuniärer Hinsicht als auch 
vor der öffentlichen Meinung einigermaßen Schutz. Der Bräu- 
tigam gilt nur in zwei Fällen als seiner Verpflichtungen ent- 
hoben: Erstens, wenn seine Braut vor der Verlobung bereits 
mit anderen unehelichen Geschlechtsverkehr gepflogen und 
ihm diese wichtige Tatsache verschwiegen hat. Zweitens, wenn 
Braut und Bräutigam bei der Verlobung ausdrücklich überein- 
gekommen sind, bereits im Brautstande als Mann und Frau 
zu leben, ohne daß der Bräutigam sein Eheversprechen später 
wiederholt hätte?, Freilich haben englische Schriftsteller häufig 
darüber Klage geführt, daß mit dem breach of promise seitens 
männersüchtiger oder gar gewinnsüchtiger Frauen böser Miß- 
brauch getrieben werde, so daß auf diese Weise sogar auf 
Eisenbahnen und anderswo für alleinstehende Männer ein Ele- 
Nachrichten, Korr, vom 30. März 1926, 2. Beilage.) Vorstehende Be- 
merkungen haben indes ıhre Berechtigung nur, insofern es sich im Braut- 
stand nicht um ein wie immer geartetes sexuelles Zusammenleben handelt, 
Denn dieses (und schon der leise Verdacht desselben) disqualifiziert die 
Braut weit mehr als den Bräutigam. Das liegt einmal in der Sitte, dann 
aber auch in der bekannten physiologischen Konstitution von Mann und 
Weib sowie endlich in der den meisten Männern eigenen Neigung zur weib- 
lichen Jungfräulichkeit begründet. 
8 Schnapper-Arndt, Sozialstatistik, 1. c., S. 523. 
9 Paul Descamps, La Formation sociale de l’Anglais moderne, Paris 
1914, Colin, p. 53.
	        
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