Full text: Hansische Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte

VI. Das älteste erhaltene deutsche Kaufmannsbüchlein 175 
Gebrauch genommen wurde, und diente als Umschlag. Erst 1335 wurde es für 
Aufzeichnungen benutzt, die mit dem übrigen Inhalt des Büchleins fast sämt- 
lich nicht in sachlicher Beziehung stehen, aber von denselben Händen ge- 
schrieben sind. Zwei Hände teilen sich im ganzen in das Buch: die Hermann 
Warendorpsund die Johann Clingenbergs. An verschiedenen Stellen des Büch- 
leins machen sich die beiden Schreiber durch Zusätze wie: „ego Hermannus 
Warendorpe‘ und „ego Johannes Clingenberg‘ ausdrücklich als solche kennt- 
lich; auch verbietet die teilweise Intimität der Eintragungen, Niederschrift 
durch einen angestellten Schreiber anzunehmen. Die Hände wechseln genau 
dem Inhalt der Eintragungen entsprechend?). Johann Clingenberg schreibt 
in rundlicher, gleichmäßiger, Hermann Warendorp in spitzer, abwechslungs- 
reicher Schrift — namentlich in den nebeneinander verwandten Formen 
des g. — Das Latein Hermann Warendorps läßt besonders zu wünschen 
übrig. Namentlich geht er sehr willkürlich mit der Deklination um?). Weiter ist 
für ihn eigentümlich, daß er die Eigennamen mit Vorliebe durch Suspension 
kürzt, was gelegentlich bei der Bestimmung des Casus Schwierigkeiten 
macht. Aber auch hier verdient die Tatsache, daß beide Kaufleute in der 
Lage waren, ihre Bücher selbst zu schreiben, und dazu noch in einer fremden, 
nämlich der lateinischen Sprache, weit mehr hervorgehoben zu werden, als 
die an der klassischen Latinität gemessenen sprachlichen Verstöße mit 
einem billigen Nasenrümpfen noch besonders zu unterstreichen‘). Begonnen 
wurde das Büchlein Ostern 1330 mit einer Gruppe von Eintragungen, die 
auf S. 2 (S. 1: Umschlagblatt) beginnen. Während diese Eintragungen 
weiterliefen, begann man ein Jahr später eine zweite Gruppe abermals unter 
sich zusammenhängender Eintragungen, für die man das Büchlein umdrehte 
und nun von der vorletzten Seite aus, von hinten gerechnet, schrieb. Die 
letzte Seite blieb auch hier zunächst als Umschlagseite frei. Man schrieb 
also in umgekehrter Linienführung von zwei Seiten des Büchleins aus auf- 
einander los. In der Mitte blieb schließlich ein Raum von fast 6 Seiten leer. 
Die wenigen Notizen auf dem hinteren Umschlagblatt sind undatiert; die 
zahlreichen auf dem vorderen fallen ins Jahr 1333, der Rest auf der hinteren 
Innenseite ins Jahr 1336. Der Sinn der ganzen Anlage wird erst verständlich, 
wenn man unter Berücksichtigung des Anteils der beiden Schreiber den 
Inhalt der Eintragungen heranzieht. 
IL 
Wer waren die beiden Schreiber? Hermann Warendorp gehört zu jener 
Jekanntesten der zahlreichen Warendorpfamilien, die uns im beginnenden 
14. Jahrhundert in Lübeck begegnen, und von denen mindestens drei Mit- 
glieder des Rates stellten. Zum Unterschied von einem Hermann Warendorp 
aus einer anderen Familie, der bis 1333 im Rate nachweisbar ist und als
	        
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