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und getragen. Das solchergestalt erweckte Kraftgefühl drängt zu Urtei-
len und Handlungen, kennt keine Skrupeln und Kautelen — eine Stim-
mung, die sich auch dem Redner mitteilt und durch ihn wieder in der
ganzen Versammlung verstärkt werden kann. — Zum Schluß noch ein
wichtiger Punkt, nämlich der Mechanismus der gegenseitigen Zerstö-
rung rein individueller Entgleisungen. Bei einiger
Selbstbeobachtung wird wohl ein jeder erfahren können, wie gelegentlich
in seinem Kopfe gänzlich ungelenke Einfälle und törichte Überzeugungen
aufbligen. In der Regel werden sie aber noch vor ihrer Formulierung
durch unsere Selbstkritik unterdrückt. Wo aber eine derartige un-
vernünftige Überzeugung allgemein vorhanden ist, da wird
sie auch zur Aussprache kommen und wird sich in den Köpfen gegen-
seitig verstärken. Der Gegensag zwischen dem Einzelnen und
der Gruppe schrumpft also hier zusammen auf denjenigen zwischen ver-
steckt gehaltenen und offen zur Schau getragenen Bewußtseinsinhalten.
Für das Gebiet der Handlungen kommen noch einige besondere
Gründe in Betracht. Zunächst fällt bei allen Massenhandlungen der
Gegensatz zwischen Zuschauern und Handelnden fort mit seiner diszi-
plinierenden und erziehenden Wirkung. Der Handelnde neigt immer
dazu der Versuchung zu unterliegen, die Zuschauer aber dringen auf
Erfüllung der sittlichen Norm und halten ihn dadurch in Schranken
($ 35). Wo aber alle von den gleichen Gefühls- und Willensregungen
erfüllt sind, da fällt dieser Gegensat fort: die Gruppe kann sich in der-
selben Weise gehen lassen und ihren niedrigsten Instinkten folgen wie
ein Einzelner, der sich jeder Kontrolle enthoben fühlt. Ferner fällt viel-
fach für Gruppenhandlungen der Vorwurf des Egoismus wenigstens vom
Standpunkt der üblichen Denkweise fort. Wenn z. B. der Einzelne in
seinen persönlichen Angelegenheiten mit derselben Rücksichtslosigkeit
vorginge, wie es eine Partei in der Parteipolitik tut, so würde er mit
dem Makel eines absoluten Egoismus behaftet sein. Innerhalb der Par-
tei aber sorgt jeder gleichzeitig für die anderen und vielleicht nach der
allgemeinen Überzeugung für die Gesamtheit schlechtweg.
3. Der im vorstehenden gemeinte Typus der „Masse“ ist an gewisse
historische Bedingungen gebunden. Bei der Masse denkt man vor allem
an das moderne politische Leben mit seinen besonderen Eigenschaften,
also an die Arbeiter und teilweise auch an die Gebildeten, die das Mate-
rial der Parteien, Volks- und Parteiversammlungen, der Wählermassen
und schließlich auch der Parlamente bilden. Diese Massen sind zum gro-
ßen Teil ohne feste Tradition und ohne tiefere Bindungen des Trieb-
lebens, ohne festen Stil des Denkens und Handelns — ein echtes Produkt
der sogenannten „Zivilisation“ und deswegen in besonderem Maße für
Die Gruppe.