Metadata: Arbeiterschaft und Kolonialpolitik

Hand. Der Aufschwung mancher Industriezweige ist sehr groß 
und schnell. So schlossen z. B. die Tatawerke in der Nähe 
von Kalkutta für das Jahr 1926/27 mit einem Reingewinn von 
rund 15 Millionen Rupees ab bei einer Produktion von 600 000 t 
Eisen und 375000 t Stahl. Die indische Zementproduktion ist 
von 1914 bis 1924 gestiegen von 945 auf 225 000 t. Für den Auf- 
schwung der Textilindustrie besteht auch in Indien selbst kein 
genügender Absatzmarkt. Von der Ernte des Jahres 1926, die 
6 Millionen Ballen Baumwolle betrug, wurden 2 Millionen in 
der eigenen Industrie verbraucht, ı Million findet feste Ab- 
nehmer auf den europäischen Märkten, aber für 3 Millionen 
werden noch Absatzmärkte gesucht. Der Sättigungsgrad der 
eigenen Industrie scheint bereits erreicht. 
Die indischen Kapitalisten, die Jahrzehnte hindurch von der 
englischen Bourgeoisie niedergehalten worden waren, so durch 
besonders hohe Besteuerung der indischen Maschinenindustrie, 
bekommen die Industrialisierung Indiens selbst in die Hand. 
Damit hat das Land seine typisch‘ kolonialen Handelsbeziehun- 
gen, Ausfuhr von Rohstoffen, Einfuhr von Fertigfabrikaten, zu- 
gunsten der zwischen industrialisierten Staaten bestehenden Be- 
ziehungen, Austausch von Rohstoffen gegen Rohstoffe und von 
Fertigprodukten gegen Fertigprodukte, aufgegeben. Die Ent- 
wicklung Indiens ist typisch für die farbigen Kolonien über- 
haupt: die industrielle Erschließung hat ihnen 
den kolonialen Charakter genommen. Die kolo- 
niale Bevölkerung erkennt selbst sehr wohl ihre in der ökono- 
mischen‘ Entwicklung begründete wachsende wirtschaftliche 
Verselbständigung und zieht daraus ihre Konsequenzen in ihrem 
Verhalten gegenüber dem Mutterland. Die einheimische Bour- 
geoisie beginnt sich ihrer Macht bewußt zu werden; die indische 
z. B. verlangte und erhielt 1916 als Gegengabe für eine Kriegs- 
anleihe von 100 Millionen Pfund einen Zoll auf Baumwolle von 
316%. Dieser Zolltarif, der lediglich nach indischen Interessen 
und nicht mehr nach denen des Mutterlandes fragt, bedeutet, daß 
die erstarkte indische Kapitalistenklasse gewillt ist, den Mehr- 
wert nicht mehr der Bourgeoisie des Mutterlandes zuströmen zu 
lassen, sondern ihn für sich selbst zu reklamieren. Damit steht 
das indische Proletariat im Augenblick der historischen Ent- 
scheidung, ob es aus einem Ausbeutungsobjekt des englischen 
Kapitals zu dem des einheimischen Kapitalismus wird, oder ob 
es die Situation, da das englische Kapital auf seine Ausbeuter- 
rolle verzichten muß, benutzt, um seine Befreiung zu erkämpfen, 
Die Stunde jedenfalls, da die eigene Kapitalistenklasse sein 
Bundesgenosse in der nationalen Revolution sein konnte, ist 
heute vorbei. Wohl besteht infolge des Kampfes zwischen eng- 
lischer und indischer Bourgeoisie eine starke Verwischung der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.