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„V. Kapitel.
vor. Da aber in solchem Falle zwischen je zwei aus jenen mehreren
Seelen eine und dieselbe besondere Beziehung der Einigkeit ob-
waltet, also eine und dieselbe Einigkeit in mehrmaliger Gegebenheit
zu finden ist, können wir von einer „Gemeinschafts-Mehrheit“ sprechen.
Jenes Seelische, welches mehreren Seelen, abgesehen von der Subjekt-
bestimmtheit, gemeinsam ist, nennen wir das „Gemeinschaftliche“
oder den „Einigkeitsgrund“., „Einigkeitsgrund“ ist aber, wie bereits
bemerkt wurde, stets besondere seelische Bestimmtheit in einem be-
sondernden Allgemeinen. Sind nun Seelen im besondernden All-
gemeinen einer Bestimmtheit, z. B. der Denkbestimmtheit, einig, so
sprechen wir von „einfach begründeter Gemeinschaft (Einig-
keit)“, sind hingegen Seelen im besondernden Allgemeinen von mehr
als einer Bestimmtheit einig, so sprechen wir von „mehrfach (d. h.
zweifach oder dreifach) begründeter Gemeinschaft“. Sind
Seelen in allen besondernden Allgemeinen der drei zusammengesetzten
Bestimmtheiten ohne Selbstbewußtsein „einig“, so liegt eine „voll-
ständige Augenblick-Gemeinschaft“ vor, d. h. eine Gemein-
schaft, welche dadurch begründet ist, daß ein und derselbe Seelen-
augenblick. mehreren Seelen zugehört. „Vollständige Augenblick-Ge-
meinschaft“ von Seelen ist aber nur möglich, wofern ihnen Augen-
olicke ohne Selbstbewußtsein zugehören, da im Selbstbewußtsein jede
Seele sich als mit einem besonderen Leibe zusammengehörige Seele
weiß, jede Seele also von jeder anderen Seele im besondernden All-
gemeinen des Wissens um sich selbst verschieden ist. Eine „unvoll-
ständige Augenblick-Gemeinschaft“ liegt insbesondere immer
dann vor, wenn der Grund der Einigkeit mehrerer Seelen ein besonderer
emotionaler Seelenaugenblick, z. B. ein besonderes Wollen abgibt, da
sich in jedem emotionalen Seelenaugenblicke stets auch Selbstbewußt-
sein eigener gegenwärtiger Lust oder Unlust, im Wollen überdies noch
Selbstbewußtsein eigenen gegenwärtigen Begehrens findet, Eine „durch
einen emotionalen Seelenaugenblick begründete Gemein-
schaft“ ist aber nicht bloß wegen des Selbstbewußtseins jeder be-
sonderen Seele wesentlich „unvollständig“, sondern ist auch überdies
in zahlreichen besonderen Fällen deshalb unvollständig, weil die in
Betracht kommenden Seelen nicht in allen besondernden Allgemeinen
der jenem emotionalen Seelenaugenblicke zugehörigen Denk-Bestimmt-
heit „einig“ sind. Sagen wir etwa, daß A und B darin „einig“ sind,
daß sie „reich werden“ wollen, so kann doch auch insoferne eine „un-
vollständige Wollen-Gemeinschaft“ vorliegen, als A und B durch je
besondere Mittel „reich werden“ wollen. „Ziel- bzw. Wider-Ziel-
Gemeinschaft“ zweier Seelen liegt stets dann vor, wenn zwei Seelen
in ihren Wollen- bzw. Wider-Wollen-Augenblicken ein und dasselbe
zu verwirklichende Allyemeine als Ziel. bzw. Wider-Ziel denken.