390 } VII. Kapitel,
Die Frage aber, wie durch eine Versprechung ein Sollen des Ver-
sprechunggebers begründet werden kann, also die Frage nach dem
‚Grunde des Verbindlichkeit von Versprechungen“ ist bekanntlich eine
Frage, zu deren Beantwortung man bereits seit langem unendliche
Mühe aufgewendet hat, ohne daß eine — der zum Teile abenteuer-
lichen — Antworten allgemeine Zustimmung gefunden hätte. Daß jene
Frage bisher. keine klare Antwort gefunden hat,. schreibt. sich aber
kaum von dem Mangel an Scharfsinn jener her, die sich um die Be-
antwortung jener Frage bemüht haben, sondern daher, daß man bei
Stellung und Beantwortung jener Frage von dunklen „ethischen“
oder „juristischen“ Dogmen ausging und erklären wollte, wie eine
„Versprechung“ ein „Sollen“ begründen kann, ohne daß man vor-
her klar bestimmt hatte, was „Versprechung“ und was
„Sollen“ ist, so daß man ungefähr so vorging, wie jemand, der etwa
die Frage beantworten will, wie. eine „abgeschossene Gewehrkugel“
eine „Verletzung“ bewirken kann, ohne vorher zu wissen, was „Gewehr-
Kugel“ und was „Verletzung“ ist. Da man insbesondere das Gegebene
„Sollen“ („Schuld“, „Verbindlichkeit“, „Pflicht“) nicht bestimmte, mußte
man vor allem auf den Gedanken kommen, daß die Sollenbegründung
durch einen Anspruch und die Sollenbegründung durch eine Ver-
sprechung voneinander unabhängige Arten der Sollenbegründung,
je „ursprüngliche“ Sollenbegründungen, darstellen. In Wahrheit aber
kann ein „Sollen“ — und zwar stets als „Ander-Sollen“ — nur durch
Anspruch „ursprünglich“ begründet werden, während ein „Sollen“ —— und
zwar stets als „Eigen-Sollen“ — durch „Versprechung“ nur „abgeleitet“
begründet werden kann, neben welcher „abgeleiteten“ Sollen-Begründung
es allerdings auch noch eine „abgeleitete“ Ander-Sollen-Begründung
durch Anspruch gibt. Wird doch ein „Eigen-Sollen“ durch Versprechung
nur begründet, wenn jene Versprechung sich als Ergänzung einer in
sinem vorher an den Versprechenden gerichteten Anspruche begründeten
Sollen-Anwartschaft des Versprechenden darstellt, die Macht, durch
Versprechung ein „Eigen-Sollen“ bzw. eine „Eigen-Sollen-Anwartschaft“
zu begründen, ist daher immer aus jemandes Macht, durch Anspruch
eine Sollen- Anwartschaft zu begründen, abgeleitet, Deshalb. wird
auch in jeder Versprechung behauptet, daß der Redende mit seiner
„günstigen Eigen-Verhalten-In Aussicht-Stellung“ richtig darauf gezielt
habe, eine eigene durch an ihn gerichteten Anspruch begründete Sollen-
Anwartschaft zu ergänzen, es wird also in jeder Versprechung der
Gedanke an einen bereits vorher an den Versprechenden gerichteten
Anspruch, durch welchen eine mittelst Versprechung ergänzbare Sollen-
Anwartschaft des Versprechenden begründet wurde, behauptet: Die
‚Versprechung“ unterscheidet sich eben von der bloßen
‚günstigen Eigen-Verhalten-In Aussichtstellung“ durch