Staats-Gesellschaft, Rechts-Gesellschaft und Wirtschafts-Gesellschaft. 533
selbst in ihrer Besonderheit klar bestimmt sind. Dieser Unterlassung
machen sich aber auch die Anhänger der Lehre von der Ununter-
schiedenheit von Staat und Recht insoferne schuldig, als sie bereits aus
dem Umstande, daß die andere Lehre sich in Widersprüche verwickelt,
schließt, daß „Staat“ und „Recht“ ein und dasselbe Gegebene darstellen
müssen, statt vorher eingehend zu untersuchen, ob nicht doch die Worte
„Staat“ und „Recht“ einen sehr verschiedenen Sinn haben. So ver-
wickelt sich denn auch die „Lehre von der Ununterschiedenheit von
Staat und Recht“ in unlösbare Widersprüche, die nur durch fiktive
Konstruktionen scheinbar verdeckt werden können, in Wahrheit aber
loch nur einen Gegensatz von ‚Staat‘ und ‚Recht‘ widerspiegeln,
Allerdings kann nicht behauptet werden, daß die „Lehre von der Un-
unterschiedenheit von Staat und Recht“ aus der Linie der bisherigen
Entwicklung der Lehren von der Beziehung von „Staat“ und „Recht“
herausfällt, diese Linie mit jener Lehre abgebrochen wird. Denn zweifel-
los zeigt die neuere „Staatsrechtslehre‘“ eine starke Entwicklung, welche
dahin geht, die Gegebenen „Staat‘“ und „Recht“ einander immer mehr
zu „nähern‘“, so daß jene Lehre, welche ‚Staat‘ und „Recht“ als ein
und dasselbe Gegebene betrachtet, den Höhe- und Endpunkt einer
Entwicklung darstellt. Mit der Erreichung dieses Höhe- und Endpunktes
ist freilich merkwürdigerweise das eingetreten, was heute allgemein
— sehr milde — als eine „Krise‘ der Staatsrechtslehre bezeichnet
wird, zweifellos aber in späterer Zeit als das katastrophale Ende
einer Staatsrechtslehre bezeichnet werden wird, die auf ethisch-politi-
schen Dogmen und formal-juristischen Konstruktionen eine wissen-
schaftliche Staats- und Rechtslehre aufbauen will und die unumgäng-
lich zu beantwortenden Fragen einer „Allgemeinen Gesellschaftslehre‘“
entweder nicht kennt oder mit dem Hinweise auf die Unzulänglichkeit
der modernen „Soziologie‘‘ spöttisch abfertigt. Wenn aber von einer
„Unzulänglichkeit‘‘ der modernen ‚Soziologie‘, die niemand leugnen
wird, die Rede ist, so haben jene, welche hochmütig auf die „So-
ziologie“ herabblickend ‚,Staatsrechtslehre“‘ betreiben, nicht weniger
Grund, von einer „Unzulänglichkeit‘“ der ‚,Staatsrechtslehre‘“ zu
sprechen, die sich vergeblich bemüht, die ihr gestellten Fragen zu beant-
worten und ein geradezu beschämendes Chaos. von widerstreitenden
Meinungen zeigt. Es ist freilich kein Wunder, daß gerade die Ent-
wicklung der Staatsrechtslehre in unserem und in dem vorangegangenen
Jahrhunderte eine stetige Annäherung der „Begriffe“ „Staat“ und „Recht“
aufweist, denn diese Entwicklung geht parallel mit einer stetigen Ent-
wicklung der politischen Verhältnisse von den Staatsformen der „ab-
soluten Monarchie“ zur „konstutionellen Monarchie“ und schließlich zur
„parlamentarischen Republik“. Die neuere Entwicklung der Staats-
rechtslehre kann eben nur verstanden werden, wenn man weiß, daß