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Aber die Anwendung des Als-ob-Prinzips hat ihre Grenzen. Und
diese liegen da, wo die Geltungen irgendwie „begründet“ werden
sollen. Dann stoßen wir auf „Werte“, die den Geltungen das Leben
geben, und Werte lassen sich nicht „fingieren‘‘. Ein Als-ob der Werte
ist ein Unding. Die Werte lassen sich entweder gar nicht oder über-
sinnlich deuten, wie ich das oben Seite 82 f. auszuführen versucht habe.
Dieser neuen Gesamteinstellung des Erkennenden entspricht nun
2. die Differenzierung des Wissens. Wie die gesamte Kultur
bricht auch die Einheit und Einheitlichkeit des Wissens auseinander:
die verschiedenen Teile der Welt werden gesondert betrachtet: es
entstehen die Naturwissenschaft, bald danach die Naturwissen-
schaften und die Kulturwissenschaften: man verinselt (in Ge-
danken) auch die einzelnen Kulturgebiete: es entstehen die Wissen-
schaften vom Staat, vom Recht, von der Kunst, von der Wirtschaft,
ja sogar von der Religion. Aber die Neigung zur Vereinzelung der
Wissensgebiete schafft immer neue Wissenschaften, „Fachwissen-
schaften‘, wie man sie mit dem wenig anmutenden Bilde eines Akten-
schrankes bezeichnet. Es entstehen: Archäologie, Topographie, Geo-
graphie, Geschichtschreibung im modernen Sinne, das heißt Dar-
stellung einzelner Perioden, Völker, Kulturgebiete usw.
Und die immer wachsende Neigung zur Differenzierung führt
schließlich zur Entstehung von Teilwissenschaften: an demselben
Gegenstande werden einzelne Probleme behandelt. Diese Los-
lösung von Teilen der konkreten Gegenstände und Erklärung dieser
Teile zum Gegenstand besonderer Wissenschaften führen zu dem, was
wir „exakte“ (Natur-) Wissenschaften nennen, wie Physik ‚und
Chemie, die nicht mehr Konkreta, sondern Abstrakta, wie Bewegung,
Verbindung usw. zum Gegenstand haben. Dieser Auflösungsvorgang
ist in mustergültiger Weise von Edith Landmann dargestellt
worden 4a,
Vom Standpunkt des Wissenden aus gesehen, bedeutet diese Ent-
wicklung eine Entpersönlichung des Wissens, was mit dessen Ver-
sachlichung gleichbedeutend ist. Ein griechischer Philosoph war eine
Universität für sich, deshalb hatten die Griechen keine Universitäten.
Die modernen Akademien und Universitäten sind der Ausdruck des
48 Ed. Landmann, Die Transzendenz des Erkennens. 1928.