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einem truc: wir erkennen nämlich, indem wir etwas verstehen, nur
das, was wir — vorher schon wußten. Ich will mich also lieber der
Amtssprache bedienen. In wissenschaftlicher Ausdrucksweise lautet
die Erklärung wie folgt: die Überlegenheit des Verstehens beruht in
der „Immanenz‘“ dieser Erkenntnisart, die sich darin äußert, daß
Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt, der Erkennende und sein
Gegenstand, selbig („identisch‘“) sind. Indem der Erkennende also
gleichsam in seinem Gegenstande drin steckt, erkennt er „von innen‘‘,
wir stehen „gleichsam hinter den Kulissen“, wie es Schopenhauer
in einem treffenden Bilde ausgedrückt hat!4a, ;
Von einem Debatteschreiber in Zürich ist dieser Ausdruck „Imma-
nenz‘“ bemängelt worden. Er meint’&: „Unter immanent wird in dem
uns allein hier angehenden Zusammenhang zweifellos diejenige Er-
kenntnis verstanden, welche innerhalb der Grenzen möglicher Er-
fahrung bleibt. Als transzendent dagegen wird diejenige bezeichnet,
welche die Grenzen möglicher Erfahrung überschreitet.‘ Hier liegt
ein Mißverständnis vor, das übrigens angesichts der Armseligkeit
unserer Ausdrucksmittel entschuldbar ist: es handelt sich nicht um
die ontologischen Begriffe Immanenz und Transzendenz, sondern um
die erkenntnistheoretischen Begriffe gleicher Bezeichnung, die wir
auf die Art.des Erkennens anwenden.
Da könnte gegen meine Sprechweise nur insofern ein Einwand
erhoben werden, als man behauptete: alle Erkenntnis sei „tran-
szendent‘‘, insofern sie das Bewußtsein des Erkennenden ‚„tran-
szendiert‘“. Dieses ist der Sinn des Wortes „Transzendenz‘“ in dem
oft erwähnten Buche Edith Landmanns und auch in meiner oben
aufgestellten Behauptung von der Immanenz des Erkennens beim
Verstehen. Die Annahme, daß alle Erkenntnis transzendent‘ sei,
scheint nun in der Tat sehr einleuchtend, wenn sie etwa wie folgt
begründet wird!?s: „Die Gegenstände, auf die sich die Gedanken be-
74a A. Schopenhauer, Über die vierfache Wurzel usw. $ 43.
% Robert Wilbrandt in den Schriften der Deutschen Gesellschaft für Sozio-
logie. 6 (1929), 324.
76 °A, Pfänder, „Logik“ im Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische
Forschung. Bd. IV. S.. 145. Husserl dagegen kennt die „immanente‘“ Erkenntnis,
beschränkt sie aber m. E. unberechtigterweise auf das Erkennen des (eigenen)
„Erlebnissfroms‘. Siehe Ideen zu einer reinen Phänomenologie. $$ 38. 44. 46.